Nach dem Aus für das Bankgeheimnis rüttelt die Schweiz an einer weiteren Tradition: die Steuerprivilegien für ausländische Konzerne. Die Schweiz hat als Steueroase mit besonders niedrigen Abgaben zahlreiche internationale Firmen angelockt, darunter Johnson&Johnson und der Rohstoffkonzern Glencore. Das bringt dem Land Milliarden zusätzliche Steuereinnahmen. Doch das jahrelang erprobte Geschäftsmodell stösst auf Widerstand: EU und OECD haben der Steuerflucht den Kampf angesagt. Sie machen Druck auf die Schweiz, die Steuerprivilegien abzuschaffen.

Die Regierung in Bern hat daher eine Reform der Unternehmenssteuern ausgearbeitet, über die die Schweizer am 12. Februar abstimmen. Es geht um viel, denn sollten Firmen wegen steigender Steuern abwandern, gehen wichtige Einnahmen verloren.

Die für 2019 geplante Reform sieht vor, dass die alten Steuerprivilegien abgeschafft werden. Von ihnen profitieren nach Angaben der Beratungsgesellschaft KPMG 24'000 Firmen, die Bund und Kantonen Gewinnsteuern von gut fünf Milliarden Franken pro Jahr in die Kassen spülen.

Steuer-Prognosen sind schwierig

Damit diese Unternehmen nicht in Scharen abwandern, setzt das Land gleich auf zwei Massnahmen: Zum einen sollen die Kantone für sämtliche Firmen ihre Gewinnsteuern senken, um als Standort attraktiv zu bleiben. Diese Steuer könnte - je nach Umsetzung - im landesweiten Durchschnitt auf etwa 14 von derzeit knapp 18 Prozent sinken. Zudem gibt es künftig spezielle steuerliche Vergünstigungen, die etwa forschende und innovative Firmen begünstigen und internationalen Vorgaben entsprechen. Wie sich die Steuerlast für einzelne Firmen entwickelt, lässt sich aber nur schwer abschätzen.

Die Reform sei für die Schweiz auch im Wettbewerb mit anderen Niedrigsteuerländern wichtig, sagte EY-Steuerexperte Rainer Hausmann. "Das ist langfristig gut für die Schweiz, weil wir dadurch Sicherheit und Transparenz im Steuersystem erlangen und eine international wettbewerbsfähige Steuerquote anbieten können", sagte er. Europaweit konkurriere die Schweiz etwa mit Irland, wo der Steuersatz bei 12,5 Prozent liege. Doch auch Grossbritannien erwägt mit dem Austritt aus der EU Steuersenkungen. Auch die Schweizer Regierung hat sich daher für ein "Ja" zu der umstrittenen Reform ausgesprochen.

Knappes Rennen - offner Ausgang

Der Wahlsonntag dürfte spannend werden. Die Umfragen lassen keinen eindeutigen Trend erkennen. Die Befürworter der Reform - vornehmlich Wirtschaftsvertreter - setzen darauf, dass Firmen mit den neuen Steuersenkungen im Land bleiben. Sollten die Schweizer die Reform ablehnen, könnten einige Unternehmen Standorte in dem Land auf den Prüfstand stellen, sagte KPMG-Steuerexperte Peter Uebelhart zu Reuters: "Wir hören von Kunden, dass sie einen Teil ihrer Headquarter-Aktivitäten in der Schweiz überdenken."

Ein Beispiel für eine betroffene Firma ist der US-Hüftimplantanthersteller Zimmer Biomet, der mit einer geplanten Investition von 40 Millionen Dollar in sein Werk in Winterthur lieber wartet, bis das Abstimmungsergebnis feststeht, sagte Zimmer-Manager Luigi Sorrentino. "Wenn sie nicht kommt, müssten wir unsere Situation und Strategiepläne überprüfen", sagte er.

Von der Reform sind auch börsenotierte Schweizer Firmen betroffen. Einer Umfrage der "Handelszeitung" zufolge können viele SMI-Firmen die Auswirkungen jedoch noch nicht abschätzen.

Die Gegner der Reform - darunter auch einige Städte und Gemeinden - befürchten durch das neue Steuersystem Löcher in der Staatskasse. Sie erwarten Mindereinnahmen von mindestens drei Milliarden Franken pro Jahr - die letztlich die Bevölkerung ausgleichen müsse. "Diese Reform geht für uns nicht auf. Wir fordern eine neue Vorlage, welche bei den Städten und Gemeinden nicht zu derart massiven Ausfällen führt", sagte Yvonne Beutler, Finanzvorsteherin der Stadt Winterthur. Um die Einbussen zu kompensieren, drohten Steuererhöhungen für Privatpersonen.

(Reuters)