Der Verlauf der Aktienkurse nach dem Corona-Crash im März war für viele Marktbeobachter irritierend. Das Geld der Notenbanken und der Regierungen liess die Kurse innert Kürze wieder in die Höhe schiessen – obwohl die Gewinne der Unternehmen reihenweise einbrachen. Ein simpler Fakt wurde dabei von vielen Marktteilnehmern vergessen: Der Markt reflektiert nun einmal die Zukunft, so düster die Gegenwart auch aussehen mag.

Doch die Bewertungen an den Aktienmärkten scheinen derzeit für viele schwindelerregend hoch. Wie kann man den fairen Preis einer Aktie angesichts des vielen billigen Geldes noch bewerten? Auch wenn die Analyse von Aktien-Kennzahlen nicht der Weisheit letzter Schluss ist, erleichtert sie doch die Vorauswahl auf der Suche nach geeigneten Investments.

cash.ch gibt einen Überblick zu den gängigen Kennzahlen und sagt, auf welche Anleger schauen müssen – und welche mittlerweile überholt sind.

Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)

Das KGV wird vielerorts als die "Currywurst der Aktienbewertungen" bezeichnet. Jeder kennt es, jeder benutzt es. Alles in dem Wissen, dass es ausgewogenere Lösungen gibt. Das KGV setzt Gewinn eines Unternehmens ins Verhältnis zum Aktienkurs. Es zeigt also, mit welchen Vielfachen des Gewinns die Aktie bewertet ist. Die einfache Korrelation: Je höher das KGV, desto teurer die Aktie. Ein Wert unter 10 gilt anhin als günstig.

Solch niedrige Werte erreichen derzeit viele Unternehmen aus der Automobilbranche oder Finanztitel. UBS und CS weisen derzeit etwa KGV zwischen 8 und 10 auf. Das zeigt: Nur weil ein Unternehmen nach Massstäben des KGV günstig bewertet wird, ist es nicht zwangsläufig ein Schnäppchen und kaufenswert.

Das KGV eignet sich zudem kaum bis gar nicht, um die Bewertung von stark wachsenden Unternehmen zu ermitteln. Berücksichtigt man bei Fast Growern wie etwa Amazon lediglich das KGV (aktuell ca. 80, im Jahr 2013 sogar mal knapp 700), wirken diese Titel hoffnungslos überbewertet. Das KGV vermag es nämlich nicht, die Gewinnerwartungen in der Zukunft zu berücksichtigen. Das sogenannte PEG-Ratio (siehe nächster Punkt) versucht, dem gerecht zu werden.

Kurs-Gewinn-Wachstums-Verhältnis (PEG-Ratio)

Das PEG (Price-Earning to Growth-Ratio) setzt das KGV einer Aktie ins Verhältnis zum erwarteten Gewinnwachstum. Dafür werden in der Regel die nächsten drei bis fünf Jahre berücksichtigt. Dabei gilt ein Wert unter 1 gemeinhin als eher unterbewertet, ein Wert über 1 deutet auf eine Überbewertung. Um bei dem Beispiel Amazon zu bleiben: Analysten trauen dem US-Big-Tech über die nächsten Jahre ein Gewinnwachstum von jährlich über 43 Prozent zu.

Das aktuelle KGV von 80 geteilt durch die 43 (jährliches Gewinnwachstum in Prozent) ergäbe ein PEG von 1,8. Das deutet zwar noch immer auf eine leichte Überbewertung der Amazon-Aktie hin, rückt allerdings das masslos überteuerte KGV in ein etwas rechteres Licht. Das PEG kann sich als gute Hilfe erweisen, scheinbar hoffnungslos überbewertete Wachstumstitel besser einschätzen zu können.

Vorsicht ist allerdings bei langsam oder gar nicht wachsenden Unternehmen geboten, insbesondere bei Dividendenaktien. Diese bieten den Aktionären Leistungen in Form von Dividendenausschüttungen, die in solchen Kennzahlen nicht abgebildet werden können.

Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV)

Vor allem bei jungen Unternehmen, die noch keine Gewinne verzeichnen, wird auf das KUV als Alternative zum KGV zurückgegriffen. Dabei wird der Kurs einer Aktie ins Verhältnis zum Umsatz je Aktie gestellt. Auch hier gilt, je höher das KUV, desto teurer wird die Aktie eingeschätzt. Auch bei grösseren Unternehmen, die vorübergehende Verluste schreiben, wird das KUV herangezogen.

Der grosse Nachteil dieser Kennzahl ist, dass die Profitabilität des Unternehmens komplett ignoriert wird.

Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV):

Das KBV setzt den Aktienkurs eines Unternehmens ins Verhältnis zu dessen Buchwert. Der Buchwert ist die Summe aller Vermögensgüter eines Unternehmens abzüglich der Schulden. Ein KBV unter 1 würde also bedeuten, dass eine Firma – etwa im Falle einer Liquidierung – einen höheren Wert hätte, als die Börse ihr zuschreibt. Diese Kennzahl war früher sehr beliebt bei Value-Investoren, wo es eben genau darum ging, Firmen aufzuspüren, deren innerer Wert höher war als es der Aktienkurs widerspiegelt.

Allerdings funktioniert das KBV heute nur noch bei Industriewerten mit vielen physischen Assets. In Bereichen wie etwa Technologie oder Dienstleistungen, wo häufig kaum noch materielle Vermögenswerte zu finden sind, gibt das KBV praktisch kaum Anhaltspunkte über die Bewertung des Unternehmens.

Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV)

Der Cashflow sagt aus, wie ertragskräftig ein Unternehmen wirtschaftet. Der operative Cashflow ist das Geld, welches das Unternehmen aus der betrieblichen Tätigkeit erwirtschaftet und abzüglich aller Ausgaben und Investitionen zur freien Verfügung hat. Wird der Aktienkurs ins Verhältnis zum Cashflow je Aktie gesetzt, lässt sich ablesen, inwiefern die gute oder eben schlechte Ertragslage im Aktienkurs eingepreist ist. Je niedriger das KCV, desto günstiger ist die Aktie.

Doch auch hier ist der Interpretationsspielraum eingeschränkt. Junge, stark wachsende Unternehmen aus dem Technologie-Bereich etwa investieren ihre Einnahmen direkt wieder in das Geschäft, was den Cashflow belastet. Das macht das KVC wiederum wenig aussagekräftig. Andererseits eignet sich das KCV gut, um Titel innerhalb einer Branche, die unter ähnlichen Voraussetzungen arbeiten, miteinander zu vergleichen.

Dividendenrendite

Die Dividendenrendite setzt die Ausschüttung einer Firma an die Aktionäre ins Verhältnis zum Aktienkurs. Die Dividendenrendite sinkt also, wenn ein Unternehmen die Dividenden kürzt oder der Aktienkurs bei gleichbleibender Dividende steigt. Früher war der Fall klar: Eine niedrige Dividendenrendite deutete darauf hin, dass das Unternehmen künftig geringere Einnahmen erwartet.

Diese Kennzahl in Bezug auf die Bewertung einer Aktie ist heute allerdings etwas weniger aussagekräftig, weil Firmen heute vermehrt Aktienrückkäufe nutzen, um die Investoren zu belohnen (in Form von daraus resultierenden Kurssteigerungen). Diese Praxis ist vor allem in den USA zunehmend zu beobachten.

Hinzukommt: Aktien von Fast Growern wie Amazon zahlen in der Regel kaum bis gar keine Dividende aus, um das erwirtschaftete Geld in die weitere Expasion des Unternehmens zu stecken. Gute Dividendenzahler sind traditionell Versorger, Basiskonsumgüterhersteller und Pharmakonzerne.

Fazit

Die Bewertung von Aktien kann nicht allein anhand einer Kennzahl ermittelt werden. Doch je mehr Kennzahlen in der Analyse herangezogen werden, desto mehr kriegt man als Anleger eine Idee, ob der Titel eher hoch oder eher niedrig bewertet ist. Es zeigt sich zudem, dass es äusserst schwierig bis unmöglich ist, Titel aus verschiedenen Branchen im Hinblick auf die Bewertung zu vergleichen.

So sind Technologie-Aktien anhand vieler Kennzahlen massiv höher bewertet, weil es sich meist um schnell wachsende Unternehmen handelt, deren Gewinnerwartungen überdurchschnittlich hoch sind. Solche Titel lassen sich schlicht und einfach nicht mit defensiven Werten vergleichen, deren Gewinne zwar weniger wachsen, die dafür aber eine stabile Dividende auszahlen.