Die Inflation in den USA hat einen weiteren kräftigen Schub erhalten. Die Konsumentenpreise stiegen im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5 Prozent, wie das Arbeitsministerium am Donnerstag in Washington mitteilte. Experten hatten einen Anstieg von 4,7 Prozent erwartet. Im April hatte die Rate 4,2 Prozent betragen, was ebenfalls mehr als erwartet war.

Damit erlebt die USA den grössten Inflationsschub seit August 2008. Damals stiegen die Lebenshaltungskosten um 5,3 Prozent. 

Der Goldpreis stieg nach Veröffentlichung der Inflationszahlen am Donnerstagnchmittag innert kurzer Zeit von 1871 Dollar pro Feinunze auf 1893 Dollar. US-Staatsanleihen reagierten mit Kursverlusten. Der Terminkontrakt für zehnjährige Treasuries fiel im frühen Handel um 0,26 Prozent auf 132,37 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Anleihen stieg auf 1,52 Prozent.

"Die gefürchtete Fünf ist Realität geworden", sagte Thomas Altmann von QC Partners. "Der starke Anstieg belegt eindrücklich, dass der Preisschub im April kein Ausrutscher war", sagte auch LBBW-Analyst Dirk Chlench. "Die US-Notenbank gerät damit zunehmend unter Druck, ihre Ansicht, dass die jüngsten Preissprünge nur temporärer Natur seien, zu überdenken."

Die Entwicklung beruht Experten zufolge vor allem auf temporären Faktoren. "In den Sommermonaten sollte das Preisniveau auf hohem Niveau langsam absinken", sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. "Die Corona-Pandemie hat das Preisgefüge so stark durcheinandergewirbelt, dass es zu einer Vielzahl nur schwer kalkulierbarer Effekte kommt." Der US-Dienstleistungssektor laufe vielerorts wieder im Normalmodus, Preise für Flugreisen und Hotelübernachtungen zögen wieder an und lägen deutlich über dem Vorjahresniveau. "Es sind also einmal mehr sogenannte Basiseffekte am Werk." Gleichzeitig schlage nun auch der Mangel an Halbleitern zumindest indirekt auf die Konsumentenpreise durch. Gebe es wegen fehlender Halbleiter keine Neuwagen, wichen die Kunden auf Gebrauchtwagen aus. Diese hätten sich deutlich verteuert.

Die US-Notenbank (Fed) verfolgt die Preisentwicklung genau. Sie geht nach eigenen Angaben aber davon aus, dass die Inflation nur vorübergehend anziehen wird. Denn im Vorjahresvergleich ergeben sich wegen des Konjunktureinbruchs im Jahr 2020 hohe Preissteigerungsraten. Die Fed, die sich nächste Woche zur Zinssitzung trifft, unterstützt die Wirtschaft trotz der anziehenden Konjunktur weiter mit monatlichen Geldspritzen von 120 Milliarden Dollar. Sie will an den Anleihekäufen festhalten, bis substanzielle Fortschritte bei der Preisstabilität und der Arbeitslosigkeit erreicht sind. Fed-Vize Randal Quarles hat signalisiert, dass er für Gespräche über das Bond-Programm offen sei.

(cash/Reuters/AWP)