Die seit Jahren ultragünstigen Finanzierungsbedingungen am Kapitalmarkt haben für Immobilienkäufer gleichermassen gute und schlechte Auswirkungen. Der positive Effekt: Die Zinsen für Hypotheken befinden sich seit Jahren auf historischen Tiefständen, trotz des kürzlich erfolgte Anstieges. Dadurch können Immobilienbesitzerinnen und -besitzer, oder jene, die es werden wollen, ihre Immobilien günstig finanzieren. Der negative Effekt: Durch die günstigen Finanzierungsbedingungen sind die Preise für Immobilien geradezu explodiert. Das wiederum erschwert die Fremdfinanzierung einer Immobilie.
Schliesslich muss bei einem Hauskauf in der Schweiz in der Regel mindestens 20 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital gestellt werden, um von der Bank eine Hypothek zu bekommen. Damit sind die Regeln hierzulande weitaus strenger als im Ausland, wie etwa in Deutschland. An dieser Stelle kommt bei vielen das Vorsorgevermögen ins Spiel. Dieses kann als "Rettungsanker" für jene dienen, die sich mit den hohen Eigenkapitalanforderungen schwer tun. Allerdings müssen beim Heranziehen von Vorsorgegeldern einige Punkte beachtet werden.
1. Finanzielle Folgen eines Vorbezugs von Vorsorgegeldern
Grundsätzlich ist es erlaubt, für die Deckung des Eigenkapitals Geld aus der Pensionskasse zu ziehen. Bei einer Belehnung von 80 Prozent darf bis zu 10 Prozent des Kaufpreises durch Gelder aus der Pensionskasse als Eigenkapital bereitgestellt werden. Allerdings reduziert sich so das Altersguthaben des Hypothekarnehmers. Wird der Vorbezug später nicht wieder zurückgezahlt, sinkt entsprechend die Altersrente. Ausserdem drohen tiefere Versicherungsleistungen im Falle von Invalidität oder Tod, was zu finanziellen Schwierigkeiten führen kann. Allerdings: Die Reduktion dieser Leistungen kann mit einer Versicherung kompensiert werden.
Ausserdem gilt es zu beachten, dass ein Vorbezug aus der Pensionskasse zu einer höheren Steuerbelastung führen kann. Gelder in der 2. Säule sind sowohl von der Einkommenssteuer, als auch auch von der Vermögenssteuer befreit. Bezieht man Geld aus der Pensionskasse, erhöht sich das zu versteuernde Vermögen in der Steuererklärung. Und: Werden Vorbezüge aus der Pensionskasse getätigt, dürfen freiwillige Einkäufe in die Pensionskasse, durch die Steuerersparnisse möglich sind, erst erfolgen, nachdem die Vorbezüge zurückbezahlt wurden.
2. Das Eigenkapital darf nicht vollständig aus der Pensionskasse bezogen werden
Das Eigenkapital zu 100 Prozent aus der zweiten Säule zu beziehen, ist gesetzlich nicht erlaubt. "Die sogenannten harten Eigenmittel müssen mindestens 10 Prozent des Kaufpreises betragen, je nach Kreditgeber allerdings auch mehr", sagt Florian Schubiger von Hypotheke.ch. Ausserdem: Ab dem 51. Lebensjahr kann aus der 2. Säule nicht mehr die komplette Freizügigkeitsleistung für Wohneigentum eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um den Betrag, den man erhält, wenn man aus der Vorsorgeeinrichtung austritt.
3. Gelder aus der 3. Säule können vollständig als Eigenkapital herangezogen werden.
Zum so genannten harten Eigenkapital gelten Barmittel, aber auch Gelder aus der Säule 3a können vorzeitig zum Erwerb von selbstbewohntem Wohneigentum bezogen werden. "Gelder aus der Säule 3a und andere Vermögenswerte dürfen – je nach Kreditgeber – vollständig als Eigenmittel herangezogen oder auch verpfändet werden", erläutert Schubiger und fügt hinzu: "Ob das ratsam ist, hängt stark von der persönlichen Finanzsituation ab. Die Säule 3a für Wohneigentum zu beziehen, ist in vielen Fällen sinnvoll."
Das ausbezahlte Kapital muss allerdings versteuert werden. Im Gegensatz zum Vorbezug aus der Pensionskasse müssen diese Vorbezüge bei einem Verkauf der Liegenschaft jedoch nicht zurückgezahlt werden.
4. Beim Vorbezug von Vorsorgeleistungen lieber 3. Säule als 2. Säule anzapfen
Hypothekarnehmerinnen und -nehmer sollten beim Vorbezug von Vorsorgeleistungen die 3. Säule der 2. Säule (Pensionskasse) vorziehen. Grund: Bei der Säule 3a drohen keine Kürzungen von Versicherungsleistungen. Zudem gilt: Damit bei der späteren Rente Einbussen vermieden werden, muss der Vorbezug der 2. Säule bis zur Pensionierung wieder ausgeglichen werden.
5. Nicht nur beim Kauf der Immobilie können Vorsorgegelder bezogen werden.
Nicht nur für den Kauf oder die Erstellung von selbstbewohntem Eigentum können vorbezogene Vorsorgegelder eingesetzt werden. Im Rahmen der Wohneigentumsförderung (WEF) kann dies auch in folgenden Fällen geschehen: Bei Investitionen am Wohneigentum, die wertvermehrende oder werterhaltend sind, beim Erwerb von Anteilscheinen von Wohnbaugenossenschaften sowie bei der Rückzahlung/Amortisation der Hypothekarschuld.
6. Geld aus der Pensionskasse kann auch verpfändet werden
Statt das Geld aus der Pensionskasse vorzeitig zu beziehen, kann es auch verpfändet werden. Der Vorteil: Weil bei einer Verpfändung das Altersguthaben lediglich als Sicherheit hinterlegt ist, bleiben Renten- und Versicherungsleistungen unverändert. Zudem kommt es – sofern es zu keiner Verwertung des Pfandes kommt – zu keiner direkten steuerlichen Konsequenzen einer Verpfändung.
Der Nachteil: Verglichen zum Vorbezug erhöht sich durch eine Verpfändung die Hypothekarzinsbelastung, da das eingebrachte Eigenkapital geringer ist – und die Hypothek somit höher.
Dies ist eine leicht aktualisierte Version eines cash-Artikels, der zuerst am 09. November 2021 erschien.