Der Ausblick auf bald sinkende Zinsen und ein "Soft Landing" der US-Wirtschaft geben den Anlegenden eigentlich Anlass zur Hoffnung. Aber die Konjunktur in Europa bleibt angeschlagen, China liefert negative Wirtschafts-Daten und die USA musste eine Herabstufung des Kreditratings verkraften.

Derweil hat die Halbjahresberichterstattung in der Schweiz ihren Höhepunkt durchschritten. Wie Erhebungen der UBS zeigen, vermochte das zweite Quartal bei vielen Firmen nicht mit den mehrheitlich starken Abschlüssen des ersten Quartals mithalten. Die Zahlenenttäuschungen seien mehr geworden und die Abwärtsrevision der Gewinnerwartungen im Anschluss an Ergebnisveröffentlichungen seien nun häufiger als Aufwärtsrevisionen. Doch noch ist die Stimmung unter den Aktienmarktakteuren gut.

Und gerade die gute Stimmung sorgt wohl dafür, dass die Schweizer Börse gemessen am Swiss Market Index (SMI) auf Monatssicht mit minus 1 Prozent nur leicht negativ tendiert. Die Kursentwicklung beim breiteren Swiss Performance Index (SPI) sieht ähnlich rückläufig aus. Eine Übersicht zu Aktien, die jetzt, Mitte August, durch Kursveränderungen besonders aufgefallen sind: 

Nestlé - Schwächelt das Schwergewicht grundlos?

Die Aktien des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé verlieren auch nach den robusten Halbjahreszahlen von Ende Juli weiter an Boden. Mit einem Kursverlust von über 1 Prozent auf Monatssicht ist das Minus seit Jahresbeginn auf 4 Prozent angestiegen. Damit wurde wieder das Niveau vom März 2021 erreicht.

Zwei Fragen sorgen für Unsicherheit unter Anlegerinnen und Anlegern: Kann der Nahrungsmittelhersteller aus Vevey beim organischen Umsatzwachstum an die Erfolge der letzten Jahre anknüpfen? Und lässt die Nachfrage nach dividendenstarken Aktien bei dauerhaft höheren Zinsen weiter nach? Es droht ein Abbau der Lagerbestände bei den Einzelhändlern und die Dividendenrendite von Nestlé ist mit 2,8 Prozent in einem Umfeld, wo selbst Schweizer Bundesobligationen eine Rendite von 1 Prozent und US-Treasuries gar 4 und mehr Prozent bieten, ein schwindendes Kaufargument.

Demgegenüber stehen die ermutigenden Aussagen zum weiteren Geschäftsverlauf. Zudem gibt es zunehmend Gründe, auch für das Jahr 2024 zuversichtlich gestimmt zu sein. Denn einige der Kapazitätsprobleme, die das Volumen in den letzten Quartalen gebremst haben, dürften im kommenden Jahr gelöst sein. Die von Bloomberg befragten Analysten bleiben aktuell noch ihrer positiven Haltung treu. 19 von 29 empfehlen den Kauf der Aktie. Nur zwei haben ein “Sell”-Rating stehen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 122 Franken, 18 Prozent über dem aktuellen Kurs.

Hochdorf - Deutliche Kursgewinne vor Halbjahreszahlen

Plus 26 Prozent auf Monatssicht ist Hochdorf -  das Unternehmen produziert unter anderem Milchpulver, Kindernahrung, Sport- und Diätprodukte sowie weitere milchbasierte Ingredienzen - ein Lichtblick. Ob damit die seit 2018 für Aktionäre unvorteilhafte Durststrecke - von gut 300 im Januar 2018 auf knapp 19 Franken im März dieses Jahres - durchbrochen worden ist, muss sich aber noch zeigen.

Der Absturz ist das Resultat der gescheiterten "Strategie 2016–2020" der damaligen CEOs Thomas Eisenring (2013-2019) und Peter Pfeilschifter (2020-2022), die Hochdorf zu einem global tätigen, profitablen Nischenunternehmen mit Premiumprodukten machen sollte - insgesamt 500 Millionen Franken wurden in den Umbau und Ausbau gesteckt. Mit dem im Januar 2022 eingesetzten CEO Ralph Siegel wurde der Turnaround in Angriff genommen.

Der Milchverarbeiter hat im Jahr 2022 aber erneut einen Verlust eingefahren, nachdem sich das Unternehmen im Vorjahr dank Sondereffekten noch hatte in die schwarzen Zahlen retten können. Doch der Verlust fällt weniger hoch aus als noch 2020 und 2019. Und für das laufende Jahr will das Unternehmen zumindest auf betrieblicher Stufe wieder einen Gewinn schreiben. Ob dies gelingt, wird am 24. August mit den Halbjahreszahlen klar. 

Richemont - Fundamentaldaten rücken in den Vordergrund

Der Luxusgüterkonzern musste in den letzten vier Wochen an der Börse ordentlich Federn lassen. Gleich um 8 Prozent ging es bergab, was die positive Bilanz seit Jahresbeginn auf 5 Prozent reduzierte. Dabei sind die Halbjahreszahlen Mitte Juli gut ausgefallen. Doch scheint es, als ob die Zukunft weniger strahlend sein könnte, als man sich erhofft hatte. Der Bedarf aus dem Nach-Corona-Boom ist inzwischen gedeckt und die Erholung in China ist weit weniger dynamisch als prognostiziert. Es sind vielmehr vermehrt Schwächezeichen aus dem Reich der Mitte, dem zusammen mit den USA wichtigsten Absatzmarkt für die Branche, zu vernehmen - was sowohl die Swatch- als auch die Richemont-Aktie belastet.

Allerdings befindet sich die Branche wieder im "Steady State": Die Fundamentaldaten werden wieder wichtig werden, da sich die Ausgaben für Luxusgüter wohl normalisieren. Vor diesem Hintergrund könnte Richemont bald das durchschnittliche Kursziel der von Bloomberg befragten Analysten - 167 Franken - wieder anvisieren.

Kuros und Obseva - Hoch-Riskante Biotech-Wetten

Das Biotechnologieunternehmen Kuros ist auf Monatssicht mit einem Kursplus von 38 Prozent vor Obseva und Polypeptide der beste Wert an der Schweizer Börse. Der Anlass für den Anstieg bot ein Abschluss der Patientenrekrutierung für eine Wirbelsäulen-Studie. Für den Aktienkurs eher negativ sind aber die Halbjahreszahlen von Anfang August zu werten. Das Biotechunternehmen hat einige seiner kommerziellen Ziele zwar früher als geplant erreicht. Wegen gestiegener Kosten fiel allerdings der Verlust höher aus.

Die gute Performance bei diesen Biotech-Titeln darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich diese Aktien-Spezies oftmals als Grab für Investoren-Gelder entpuppen. Das Biotech-Unternehmen Obseva zeigt dies exemplarisch: Die Meldung, dass dieses die weltweiten Rechte an einem Produktkandidaten Nolasiban zurückerhält, reicht zwar für ein Kursfeuerwerk. Seit Jahresbeginn steht der Titel aber trotzdem beinahe 50 Prozent tiefer.

Das Unternehmen aus Genf kämpft ums Überleben, seit die US-Zulassungsbehörde FDA letztes Jahr den Zulassungsantrag für den wichtigsten Forschungskandidaten zurückgewiesen hat. Obseva hatte darauf eine Massenentlassung eingeleitet und um Nachlassstundung ersucht - endgültiger Ausgang bleibt ungewiss. Der Titel ist wegen dem sehr hohen Risiko eher eine Option als eine Aktie.

Logitech - Die erhoffte Trendwende?

Die Aktien des Computerzubehör haben dank einem Kursanstieg von beinahe 10 Prozent in den letzten vier Wochen wieder das Kursniveau von Anfang Jahr erreicht. Damit zeichnet sich allmählich ein leicht positiver Trend ab, nachdem der Titel im letzten Oktober auf das tiefste Niveau seit dem Frühjahr 2020 abgesackt war. Dies, obwohl Mitte Juni der langjährige CEO Bracken Darrell aus dem Konzern ausschied - das Amt hat interimistisch Guy Gecht übernommen.

Logitech leidet zwar auch zu Beginn des Geschäftsjahres 2023/24 - ab April - unter dem Abschwung nach dem Ende des Corona-Booms, wie die Lausanner Ende Juli bekanntgaben. Allerdings hat der Hersteller von Computerzubehör mit den Zahlen zum ersten Quartal die Markterwartungen weit hinter sich gelassen. Für die Aktie unterstützend ist auch das gestartete Aktienrückkaufprogramm im Umfang von über einer Milliarde Dollar.

Einige Analysten gehen davon aus, dass die Guidance des Unternehmens für das gesamte Geschäftsjahr 2023/24 zu konservativ sein dürfte. Aus deren Sicht ist Logitech nämlich bestens positioniert für einen starken Aufschwung, sobald der makroökonomischen Gegenwind nachlässt. Die Mehrheit der Experten bleibt aber weiterhin bei Logitech an der Seitenlinie: Laut Bloomberg-Daten stehen 10 "Holds", 5 "Buys" und 3 “Sells” gegenüber.

Leonteq - Marktkrise als Chance

Beim Derivate-Anbieter Leonteq dominiert seit März an der Börse nur rot: Mit minus 9 Prozent in den letzten vier Wochen. Diese Entwicklung ist nicht unbegründet, wie die Halbjahreszahlen vom 20. Juli zeigten: Der Ertrag hat sich beinahe halbiert und der Gewinn ist massiv eingebrochen -  die Gewinnwarnung wurde schon Ende Juni kommuniziert. Als Gründe für den starken Rückgang führte Leonteq insbesondere die deutlich geringere Marktvolatilität, den anhaltenden Inflationsdruck und sowie die entsprechenden Zinserhöhungen an.

Vor dem aktuellen geopolitischen Hintergrund und angesichts der höheren Zinsraten sowie der geringen Volatilität an den Aktienmärkten kann man wohl nur mit einer geringen Erholung des zugrundeliegenden Geschäfts rechnen. Entsprechende Kurstreiber sind daher nicht auszumachen, wobei eine Stabilisierung angesichts des Kurs-Gewinn-Verhàltnisses (KGV) von 11 auf dem aktuellen Niveau wahrscheinlich ist. Analysten attestieren aber auch, dass Leonteq gute Fortschritte bei der Diversifikation mache und dass das Geschäftsmodell es dem Unternehmen erlaube, als relativer Gewinner aus der derzeitigen Marktkrise hervorzugehen.

ManuelBoeck
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