Wenn die Börsen wieder mal plötzlich abwärts gehen oder in einen Bärenmarkt treten, dann lassen manche versierte und altgediente Anlageprofis die allgemeine Hysterie und Hektik an sich abprallen. Vor allem jene, die nach dem Langfristprinzip "Buy and Hold" investieren, tun das, was sie sowieso regelmässig tun: Sie unterziehen das Portfolio einem Rebalancing. Auch Finanzprofessor Thorsten Hens von der Universität Zürich nimmt jeweils eine solche Neugewichtung in seinem Portfolio vor, wie er kürzlich in einem Interview mit cash.ch verriet.
Wenn sich Kurse verändern, dann ändert sich auch die ursprüngliche Aufteilung von Anlagen: Eine Aufteilung Aktien zu Obligationen im Verhältnis 60 zu 40 wird sich zugunsten der Aktien verändern, wenn sich Aktien wesentlich besser entwickeln als Obligationen. Damit steigt aber auch der Anteil der risikoreicheren Anteile in der Anlagenaufteilung.
Beispiel: Ein Aktien/Cash-Portfolio, wie es Anfang 2020 vor der Coronakrise ausgesehen haben könnte:
Anlage | Wert | Anteil |
Aktie 1 | 3000 Franken | 30 Prozent |
Aktie 2 | 1500 Franken | 15 Prozent |
Aktie 3 | 2500 Franken | 25 Prozent |
Cash | 3000 Franken | 30 Prozent |
Portfolio | 10'000 Franken | 100 Prozent |
Ein Rebalancing stellt die ursprüngliche Aufteilung im Portfolio wieder her und korrigiert die Kursveränderungen. Das kann zwischen verschiedenen Anlageklassen sein, aber auch in einem reinen Aktienportfolio, in dem sich die einzelnen Titel unterschiedlich entwickeln. Genauso wird ein Rebalancing bei Fonds- und vor allem ETF-Strategien empfohlen. In Anlagestrategien oder bei automatisierten Anlagesysteme wie Robo Advisors findet ein Rebalancing regelmässig statt.
Das gleiche Beispiel-Portfolio per Ende Juni 2020, nachdem die Krise Gewinne und Verluste gebracht hat:
Anlage | Wert | Anteil neu |
Aktie 1 | 2000 Franken (-34 Prozent) | 22,7 Prozent |
Aktie 2 | 900 Franken (-40 Prozent) | 10,2 Prozent |
Aktie 3 | 2900 Franken (+16 Prozent) | 33 Prozent |
Cash | 3000 Franken (unverändert) | 34,1 Prozent |
Portfolio | 8800 Franken | 100 Prozent |
Bei einem Portfolio-Rebalancing sollte es so laufen, dass gleich viel ge- und verkauft wird, um die ursprüngliche Aufteilung zurückzuerlangen. Möglich ist auch, dass frisches Geld verwendet wird, um die Anlagen zurück ins ursprüngliche Verhältnis zu bringen: In diesem Fall, wo sich der Wert des Portfolios durch einen Zuschuss erhöht, spricht man von einem Cash-Flow-Rebalacing.
Fürs Rebalancing des obigen Beispiel-Portfolios sind folgende Käufe und Verkäufe nötig:
Anlage | Wert | Zielanteil | Nötige Veränderung | Neuer Wert |
Aktie 1 | 2000 Franken | 30 Prozent | +640 Franken | 2640 Franken |
Aktie 2 | 900 Franken | 15 Prozent | +420 Franken | 1320 Franken |
Aktie 3 | 2900 Franken | 25 Prozent | -700 Franken | 2200 Franken |
Cash | 3000 Franken | 30 Prozent | -360 Franken | 2640 Franken |
Portfolio | 8800 Franken | 100 Prozent | 8800 Franken |
Mit einem Prozentrechner oder einer Excel-Tabelle lassen sich die Werte leicht bestimmen. Zur Wiederherstellung der ursprünglichen Portfolioaufteilung braucht es bei zwei Aktien Zukäufe, bei einer Aktie einen Verkauf sowie eine Reduktion des Cashbestands. Der Wert der Käufe und der Wert des Verkaufs und der Cashbestand-Reduktion ist in Summe gleich (Grafik: cash.ch).
Ein Rebalancing verursacht Kosten, denn es sind einige Trades nötig. Bei sehr kleinen Portfolios mag sich die Frage stellen, ob diese Kosten dann gerechtfertigt sind. Bei grösseren Anlagebeträgen, in einem diversifizierten Portfolio, ist das Rebalancing nützlich.
Das Rebalancing behält nicht nur das Risikoprofil im Griff, es optimiert im besten Fall auch die Rendite. Wer das Portfolio regelmässig auf die Ausgangslage zurückjustiert, handelt antizyklisch: Von Aktien, die gut gelaufen sind, wird bei Rebalancing ein Teil verkauft. Bei den gefallenen Titeln wird zugekauft. Somit reduziert sich ein Teil der häufig teuer gewordenen Aktien und Anlagen, die irgendwann zu korrigieren drohen. Gleichzeitig kommen günstige hinzu, die sich mit der Zeit erholen können.
Diszipliniertes Austarieren der Anlagen führt anders gesagt zum Effekt, dass Teures verkauft und Billiges zugekauft wird. Für die, die noch ein Fremdwort brauchen: Experten sprechen auch von der "Regression", also der Beobachtung, dass sich Kurse langfristig einem Mittelwert nähern und dass so bei Käufen über die Zeit ein Durchschnittspreis entsteht.
Diversifiziert, langfristig, ohne grosse Emotionen
Regelmässig zu re-balancen bedeutet auch, dass Anlegerinnen und Anleger zu einem hohen Grad ihre Emotionen aus dem Spiel lassen müssen. Mehr noch: Mann muss bereit sein, darauf zu verzichten, Gewinne weiterlaufen zu lassen und abgestrafte Aktien zuzukaufen, was vielen alles andere als leicht fällt. Zur Frage, wo oft ein Rebalancing durchgeführt werden sollte, gibt es indessen keine fixe Empfehlung.
Tendenziell kann man sagen: Je grösser und diversifizierter ein Portfolio ist, desto öfter soll korrigierend eingegriffen werden. Manche Anleger machen es jährlich oder halbjährlich zu Stichtagen. Für Anleger mit kleineren Portfolios ist es aber auch eine Überlegung wert, beim Überschreiten gewisser Bandbreiten zu handeln: Ein einem 50:50 ausgerichteten Aktien-Obligationen-Portfolio wird beispielsweise immer dann ein Rebalancing durchgeführt, wenn eine der Anlageklassen 60 Prozent des Portfoliowerts erreicht.
Rebalancing ist nicht nur eine Frage der Zahlen, Prozentanteilen und Kursveränderungen. Es sagt etwas aus über die individuelle Einstellung zu Anlagen: Diesen Kniff regelmässig anzuwenden, heisst diversifiziert, langfristig und zu einem hohen Grad emotionslos anzulegen (ganz ohne Leidenschaft sollte man allerdings auch nicht an den Finanzmarkt). Und dies führt, wie sich immer wieder zeigt, zum Erfolg.
Dieser aktualisierte Artikel erschien in seiner ursprünglichen Fassung zuerst bei cash.ch im Juli 2020.