Vor gut einem Jahr hat Reto Stiffler von Crypto Consulting im cash-Interview (mehr dazu hier) ein Kursziel von 50'000 Dollar für den Bitcoin ausgerufen. Dieses Ziel wurde am 14. Februar 2024 erreicht. Seither ging es mit den Kursen noch einmal steil nach oben und am Mittwoch wurde ein neues Jahreshoch bei 63'698 Dollar erreicht. Seit Jahresbeginn ist die grösste Kryptowährung um fast 50 Prozent gestiegen.

Stiffler veranschlagt den fairen Wert für Bitcoin momentan immer noch auf 50’000 Dollar. Das Ziel bis Ende 2024 in diesem Zyklus liegt mit 100'000 bis 120'000 Dollar aber noch mal deutlich höher. Entsprechend volatil dürfte es weitergehen. «Der Bitcoin wird wie in den letzten Zyklen unseren fairen Wert stark übertreffen, bevor er sich diesem im nächsten Abwärtsmarkt wieder nähert». 

Stefan Höchle, Leiter Anlagestrategie, der Digital Asset Solutions, schreibt auf Anfrage von cash.ch, dass sich die Schlinge für Vermögensmanager zuziehe. «Wer vor dem Allzeithoch positioniert sein möchte, dem bleibt nicht viel Zeit. Das erklärt diesen "FOMO"-Moment, der den Bitcoin-Preis in den vergangenen Wochen so empor schiessen liess.» FOMO steht dabei für die Angst, etwas zu verpassen - auf englisch «Fear of missing out».

Sowohl Stiffler wie Höchle schliessen kurzfristige Korrekturphasen nicht aus. Beide verweisen aber auf das beachtliche Wachstumspotenzial hin. 

Explodierende Handelsvolumen und kein Angebot

Es gibt verschiedene Gründe für den aktuellen Höhenflug des Bitcoin. Einer der Hauptgründe ist die Zulassung von Bitcoin-ETFs durch die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC am 11. Januar. Damit wird es gerade für institutionelle Investorinnen und Investoren wesentlich einfacher, über eine regulierte Börse in Bitcoin zu investieren. Das zeigt sich auch im Handelsvolumen, das sowohl bei ETFs sowie den gehandelten Bitcoin-Futures gemäss nachfolgender Grafik regelrecht explodiert ist.

Ein weiterer Grund für Nachfrage ist das anstehende "Halving" - sprich Halbierung - des Bitcoins. Dabei werden auf allen 210'000 Blöcken die Belohnung für Miner halbiert. Dieser Mechanismus wurde in das Bitcoin-Protokoll eingebettet, um der Inflation entgegenzuwirken. Das geschieht alle vier Jahre, und rein rechnerisch sollte das nächste Halving am 20. oder 21. April 2024 über die Bühne gehen. Dann bekommen Miner pro geschürften Block neu noch eine Belohnung von 3,125 Bitcoin statt wie bisher 6,25 Bitcoin.

In der Theorie stellen Halvings die Weichen für Kurssteigerungen, weil das Angebot neuer Bitcoin verknappt wird. Entsteht ein grosse Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wie jetzt durch die hohe Nachfrage der ETFs nach der Kryptowährung auf der einen Seite und das geringe Angebot an Bitcoin, dann ist eine Rally vorprogrammiert. 

Altcoins vor der Aufholjagd

In vergangenen Marktzyklen führte Bitcoin den Trend immer an, hält Höchle von Digital Asset Solutions fest. Die Rotation in alternative Kryptowährungen wie Ether erfolgte erst nach dem ursprünglichen Bitcoin-Impuls nach oben.

«Jetzt befinden wir uns in einer ähnlichen Ausgangslage. Noch in diesem Halbjahr erwartet Höchle einen US-Spot-ETF auf Ether, der sich erheblich auf die Nachfragekurve auswirken würde. «Die Bitcoin-Gewinne werden früher oder später in andere Kryptowährungen fliessen,» erläutert Höchle weiter. Bekannte und erfolgreiche Altcoins sind Ethereum, Ripple, Litecoin oder Cardano.

Heftige Korrekturen gehören weiterhin zur DNA des Bitcoin

Auch wenn die durchschnittlichen, tägliche Schwankungen des Bitcoin gemäss Bloomberg-Daten von über 3,4 Prozent auf 2,3 Prozent gesunken sind, bleibt die Volatilität von Kryptowährungen im Vergleich zu anderen Anlageklassen wie Aktien oder Obligationen enorm hoch. Dies zeigte sich einmal mehr am Mittwochabend, als es zu einer scharfen Korrektur kam und die Kryptowährung innert einer Stunde von 63'968 Dollar bis auf 58'321 Dollar absackte. Der Kurs hat sich seither erholt und am Donnerstag über einem Niveau von 62'500 Dollar pro Bitcoin stabilisiert.

Auf einen interessanten Aspekt weist John Plassard, Senior Asset Specialist bei Mirabaud Securities, hin. Die hohen Kursschwankungen im Bitcoin sind historisch betrachtet nicht nur den Halvings, sondern primär makroökonomischen Ereignissen geschuldet. 

Bereits im Jahr 2012 hat die europäische Schuldenkrise das Potenzial von Bitcoin als alternativer Wertaufbewahrungsmittel inmitten wirtschaftlicher Turbulenzen deutlich gemacht und dazu beigetragen, dass der Preis von Bitcoin seit Anfang 2012 bis November 2013 von 12 US-Dollar auf 1'100 US-Dollar gestiegen ist. In ähnlicher Weise kam es zu einem Boom bei den ersten Listings von Altcoins im Jahr 2016. Indirekt kam das dem Bitcoin zugute und liess dessen Preis von 650 US-Dollar bis im Dezember 2017 auf 20'000 US-Dollar klettern.

Ausgeprägt war die Hausse auch während der COVID-19-Pandemie, die im März 2020 begann. Expansive Konjunkturmassnahmen und Inflationsängste veranlassten Anleger, sich Bitcoin als Absicherung zuzuwenden. Der Preis stieg innert 18 Monaten von 8'600 Dollar auf das Rekordhoch von 68'000 US-Dollar im November 2021.

Das Fazit ist für Plassard deshalb klar. «Machen wir uns keine Illusionen: Ganz gleich, ob Anlegerinnen und Anleger für oder gegen Kryptowährungen sind, das Thema entwickelt sich ständig weiter und die Verbreitung durch Bitcoin-ETFs nimmt rasant zu.»

Die Halbierung oder Halving ist Teil des Bitcoin-Geschäftszyklus. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Investierende mit diesen Währungen noch wenig Erfahrung haben und die Volatilität daher weiterhin hoch sein wird.

Thomas Daniel Marti
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