Die Lage an der Währungsfront spitzt sich wieder zu. Am Dienstag stieg der Franken gegen den Euro bis auf einen Wert von 0,9315 Franken. Damit nähert sich die Schweizer Währung wieder dem Ende Dezember 2023 erreichten Rekord von 0,9259 Franken. Dabei hatte der Euro in den ersten neun Handelstagen 2024 zum Franken wieder 2,3 Prozent an Wert hinzugewonnen.

Der Euro-Aufwärtsdrall in den ersten Handelstagen 2024 war nach der starken Performance des Frankens 2023 im Sinn einer Gegenbewegung durchaus zu erwarten. Äusserungen von Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), am WEF in Davos führten zudem zu Spekulationen, dass die SNB früher als andere Zentralbanken mit Zinssenkungen beginnen oder sogar am Devisenmarkt eingreifen könnte, um die Aufwertung der Währung einzudämmen. Jordans Bemerkungen liessen den Franken sofort sinken.

Die temporäre Euro-Erholung führte mitunter dazu, dass verschiedene Devisenstrategen die Kursziele für das Währungspaar Euro/Franken in den letzten Wochen hochgeschraubt haben. So erwartet zum Beispiel die Société Générale das Überschreiten der Parität bis auf 1,04 Franken pro Euro per Ende 2024, wie cash.ch im Währungsausblick 2024 berichtete. 

Mit David Alexander Meier, Ökonom bei der Bank Julius Bär, eilt der Top-Devisenprognostiker des vierten Quartals 2023 dem Euro zu Hilfe. Er sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass die Zahl der Bären im Schweizer Franken zunehme und die Franken-Rally des letzten Jahres beendet sei. Deshalb dürfte sich die Einheitswährung zum Schweizer Franken bis Ende 2024 um 4 Prozent aufwerten.

Kommentar von EZB-Währungshüter als Spielverderber

Die Kurserholung des Euros zum Franken ist aber nicht in Stein gemeisselt, wie die jüngste Aufwertung des Frankens beweist. Es gibt auch andere Gründe: In Deutschland liegt die Konjunktur am Boden und in Frankreich, der zweitgrössten Volkswirtschaft Europas, hat sich das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal 2024 deutlich verlangsamt.

Zudem goss das EZB-Ratsmitglied Francois Villeroy de Galhau Öl ins Feuer, indem er seinen Kollegen im EZB-Rat den Fehdehandschuh zuwarf und eine Lockerung der Geldpolitik bei einer der nächsten EZB-Sitzungen in Aussicht stellte. In einem Interview mit La Tribune Dimanche sagte der französische Zentralbanker, dass es in diesem Jahr Zinssenkungen geben werde. «Bezüglich des genauen Datums ist nichts ausgeschlossen, und bei unseren nächsten Treffen wird alles offen sein», sagte er.

Der Kommentar verdeutlicht die Meinungsverschiedenheiten unter den EZB-Ratsmitgliedern - dies wenige Tage nachdem Präsidentin Christine Lagarde sagte, es habe bei der EZB-Ratssitzung letzte Woche Konsens darüber bestanden, dass «es verfrüht sei, über Zinssenkungen zu diskutieren». Der Markt nimmt ihr das nicht ab, und eine erste Zinssenkung durch die europäischen Zentralbanker wird bereits für April eingepreist. Deutlich später rechnet der Markt mit der ersten SNB-Leitzinssenkung. Ebenso dürften allfällige Lockerungen durch die SNB gemäss Bloomberg-Daten deutlich geringer ausfallen als die durch die EZB.

Die spekulativen Engagements der privaten Day Trader und Devisenhändler 'weisen' ebenfalls auf einen starken Euro hin. Der von der IG Bank publizierte Sentiment-Index zeigt, dass Retail Trader zwar zu 77 Prozent "Long" in Euro zum Franken positioniert sind und somit eine deutliche Mehrheit auf einen steigenden Eurokurs spekuliert - nur 23 Prozent der Investoren sind "Short" und setzen auf tiefere Euro-Kurse. Die IG Bank hält dazu aber fest, dass eine so hohe positive Rate an Longs ein konträres Signal sei. Deshalb erwartet die Bank, dass der Euro zum Franken vorerst schwach bleiben wird. 

Keine leichte Aufgabe für die Nationalbank 

Die Erholung des Euro und des US-Dollar zum Franken taxiert Thomas Stucki, Anlagechef bei der St. Galler Kantonalbank, lediglich als eine Gegenreaktion auf die starken Kursverluste über das Jahresende. «Der Franken wird stärker und stärker. Um der Frankenstärke entgegen zu wirken, müsste die SNB den Leitzins deutlich stärker senken als die amerikanische Notenbank Fed und die EZB. Bei einem aktuellen SNB-Zins von 1,75 Prozent ist man da aber schnell wieder bei den Negativzinsen.» 

Wenn sich die SNB gegen den Aufwertungsdruck des Frankens stemmen will, bleibt ihr nicht viel anderes übrig, als eine aktive Währungspolitik über Devisenmarktinterventionen zu betreiben. Die Schweizerische Nationalbank hat bereits zwischen 2011 und 2021 massiv Devisen gekauft, um den Franken zu schwächen.

Durch diese Interventionen hat die SNB allerdings Devisenreserven im Umfang von 750 Milliarden Franken angehäuft. Das entspricht in etwa der Grössenordnung des jährlichen Bruttoinlandprodukts in der Schweiz. «Das kann nicht die Lösung sein», erklärt Stucki gegenüber cash.ch. Auch die UBS sieht das ähnlich und nennt Gründe, weshalb Marktinterventionen der SNB wenig wahrscheinlich sind (zum cash-Artikel geht es hier).

Die SNB dürfte für den Moment wohl primär mit verbalen Statements versuchen, einer zu starken Frankenaufwertung entgegen zu wirken. Nicht auszuschliessen ist dennoch, dass sie punktuell im Devisenmarkt eingreift, um den kurzfristig orientierten Devisenspekulanten den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Marktteilnehmer stellen sich dabei auch die Frage, ob die SNB nicht bereits im Dezember 2023 respektive Anfang Jahr interveniert hat. Ein Blick auf die Sichtguthaben bei der SNB zeigt, dass die Kurserholung des Euros Anfang Jahr mit einem Anstieg der Sichtguthaben einherging, ehe in den letzten zwei Wochen wieder ein leichter Rückgang der Sichtguthaben parallel mit den sinkenden Euro-Kursen einsetzte. Sollten die am kommenden Montag publizierten Sichtguthaben bei der SNB einen neuerlichen, deutlichen Anstieg im Wochenverlauf anzeigen, so könnte dies darauf hindeuten, dass die SNB derzeit am Markt aktiv ist. 

Auf eine Wirtschafts- und Währungserholung in der Eurozone hoffen

Laut UBS-Ökonom Alessandro Bee wird sich die SNB wahrscheinlich eher für Zinssenkungen als für Währungsinterventionen entscheiden, um den starken Franken zu schwächen. «Angesichts der anhaltenden Verluste der SNB sind die politischen Kosten einer Zinssenkung geringer als die einer Wiederaufnahme der Devisenkäufe», sagte er am Dienstag. Ob dies eine realistische Option ist, darf hinterfragt werden. Deutliche Zinssenkungen könnten zu massiv steigenden Immobilienpreisen führen - das dürfte derzeit ebenso wenig im Interesse der Nationalbank sein. 

Eine neuerliche Entspannung an der Währungsfront würde der SNB die geldpolitische Steuerung für den Moment vereinfachen. Bleibt der Druck auf den Franken dagegen über die nächsten Wochen hoch, so dürfte die SNB noch mehr in der Zwickmühle geraten. Eine Option für die SNB könnte deshalb sein, bei stabiler Inflation den Leitzins im März um 0,25 Prozent auf 1,50 Prozentpunkte zu senken. Sie hätte das Überraschungsmoment einmal mehr auf ihrer Seite, könnte so die Frankenaufwertung verlangsamen und der Schweizer Industrie unter die Arme greifen.

Danach kann sie die Leitzinsen entsprechend länger unverändert auf diesem Niveau belassen, ohne gleichzeitig einen neuen Preisschub am Immobilienmarkt auszulösen. Die SNB würde damit Zeit gewinnen und könnte auf eine Wirtschafts- und Währungserholung in Deutschland respektive in der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte hoffen.

Thomas Daniel Marti
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