Das vergangene Jahr hat mit einem Paukenschlag an den Devisenmärkten geendet. Gegenüber den führenden Währungen der G10-Staaten hatte sich der Franken zur Überraschung aller Marktteilnehmer rasch aufgewertet - und dies, obwohl die Schweizerische Nationalbank Mitte Dezember signalisierte, in Zukunft von Fremdwährungsverkäufen abzusehen.

Die Frankenstärke, die seither mehr oder weniger anhält, ist primär auf externe Faktoren zurückzuführen. Einerseits haben die geopolitischen Spannungen nicht nachgelassen, welche die Anleger weiter in den Franken flüchten lässt. Andererseits dürften vor allem die aggressiven Zinssenkungserwartungen für die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) den Dollar und den Euro geschwächt haben, erklärt Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch gegenüber cash.ch.

In den ersten Tagen des neuen Jahres vermochten alle wichtigen Währungen gegenüber dem Franken nur minim Boden gut zu machen. Geht es nach den Ökonomen und Währungsstrategen, so dürfte sich die Schweizer Währung in diesem Jahr weiter leicht abschwächen. Die Konsensschätzung der Nachrichtenagentur Bloomberg sieht für den Dollar zum Franken einen Jahresendkurs von 0,88 Franken und beim Währungspaar Euro/Franken einen Jahresendwert von 0,99 Franken voraus.

Die von cash.ch befragten Devisenexperten sind gemäss nachfolgender Tabelle etwas zurückhaltender, sehen den Dollar Ende 2024 bei 0,87 Franken und den Euro bei 0,97 Franken. 

Die Devisenstrategen führen dabei an, dass die Zinsdifferenzen derzeit eher gegen den Franken sprechen. Das heisst, dass die in der Schweiz zu erzielenden Zinserträge geringer sind als im Ausland. Je höher dieser "Spread", desto attraktiver werden ausländische Währungen. Ein zweiter Grund ist die stark sinkende Inflation in den USA wie auch in der Eurozone, während diese in der Schweiz weiterhin stabil leicht unter zwei Prozent steht.

Dadurch ist die Differenz zwischen der Schweizer Teuerung im Vergleich zur Teuerung in den USA oder der Eurozone sowie den meisten G10-Staaten kleiner geworden. Entsprechend drängt sich kein übermässiges Engagement aus Sicht von ausländischen Investoren in der hiesigen Währung auf, sofern es nicht zu weiteren geopolitischen Verwerfungen kommt. Ebenso gilt es zu Berücksichtigen, dass der Schweizer Franken nach den Aufwertung im letzten Jahr eher als überkauft gilt.  

Die Einschätzung über die zukünftige Entwicklung für das Paar Dollar zum Franken bleibt dabei vor allem wegen den US-Zinserwartungen schwierig. Während bei den US-Leitzinsen generell drei Zinsschritte nach unten um je 0,25 Prozent durch die amerikanische Notenbank Fed bis zum Jahresende erwartet werden, gehen die Renditeprognosen für langfristige Staatsanleihen gemäss Thorsten Slok, Chefökonom beim Hedge Fund Apollo, diametral auseinander.

Die Spanne reicht dabei von unter 3 Prozent bis zu einer Rendite von über 5 Prozent für 10-jährige amerikanische Treasury Bonds. Dies ist ein Faktor in Kombination mit der rekordhohen Verschuldung der USA im Umfang von 34 Trillion Dollar, der den Frankenkurs zum Dollar in diesem Jahr stark bewegen kann.

Die meisten Devisenexperten bleiben aus zwei weiteren Gründen vorsichtig in Bezug auf eine Dollaraufwertung. Erstens war die Frankenstärke in den letzten Jahren jeweils ausgeprägter, als die Marktteilnehmer dies erwartet hatten. Zweitens erwarten alle Devisenexperten langfristig eine Aufwertung des Franken um rund ein Prozent zum Dollar, auch wenn der Kurs zwischenzeitlich um den Mittelwert stark schwanken kann. 

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, hält den Franken gemessen an der Kaufkraftparität keineswegs für teuer. Das gilt sowohl gegenüber dem Dollar als auch gegenüber dem Euro.

«Wenngleich es für 2024 nicht unser Hauptszenario ist, sollten kurzfristig Wechselkursniveaus von 0,90 gegenüber dem Euro durchaus ins Kalkül gezogen werden. Der Blick in die Eurozone hinein ist derzeit leider nicht besonders erbaulich», sagt Gitzel. Er erwartet 2024 einen stabileren Euro, ehe es dann im 2025 Richtung 0,92 Franken gehen könnte. Der Dollar dürfte 2024 ebenso kaum markant gegenüber dem Franken verteuern, sondern 2025 wieder deutlich tiefer tendieren. 

Kurzfristige Euro-Erholung, langfristige Frankenstärke

Positiver für die Gemeinschaftswährung sind Thomas Flury, Leiter Devisenstrategie bei der UBS, und Kit Juckes, leitender Devisenstratege bei Société Générale in London. Beide sehen den Euro zum Franken in 2024 höher. Flury führt dies einerseits auf eine technische Gegenkorrektur nach der starken Aufwertung der Schweizer Valuta in den letzten Monate zurück. Er erwartet von der EZB ein zögerliches Vorgehen bei den bereits eingepreisten Leitzinssenkungen.

Die UBS sieht die europäische Einheitswährung zum Franken in einer relativ breiten Spanne zwischen 0,94 und 1,00 Franken einpendeln und prognostiziert Ende Jahr einen Kurs von 0,97 Franken.

Ähnlich argumentiert Juckes und meint, der Euro werde sich von einem aussergewöhnlich niedrigen Niveau erholen, da die Eurozone aufgrund der Energiekrise einen enormen Handelsschock erlitten hatte. «Es ist unwahrscheinlich, dass sich dies wiederholt, weshalb wir eine Erholung des Euro sowohl gegenüber dem Franken als auch dem Dollar erwarten.» Der Londoner Stratege hat die höchste Prognose mit einem Wechselkurs des Euro zum Franken von 1,04 Franken.

Sowohl Flury wie Juckes betonen, dass es zwischenzeitlich immer wieder zu einem stärkeren Franken in diesem Jahr kommen kann. Denn mittelfristig über die nächsten Jahre hinaus bleibt die Nachfrage nach Franken stabil. Deshalb wird der Franken zum Euro im Rahmen der durchschnittlichen Aufwertung von rund einem Prozent pro Jahr langfristig zulegen. 

Druck auf die Gewinne bei Schweizer Unternehmen hält trotzdem unvermindert an

Trotz der leichten Konsolidierung des Frankens gegenüber den Leitwährungen Dollar, Euro und britisches Pfund seit Jahresbeginn gibt es für Schweizer Firmen keine Entwarnung, meint die Helvetische Bank in einem Kommentar. Das Schweizer Unternehmen Tecan gab am Montag eine Umsatzwarnung wegen negativer Währungseinflüsse bekannt, Sika zeigte bei der Präsentation der Umsatzzahlen für 2023 am Mittwoch einen negativen Währungseffekt von 7,4 Prozent.

Andere Gesellschaften dürften in den nächsten Wochen ähnliche Meldungen abgeben. Aber auch für das Jahr 2024 muss man bereits wieder mit ähnlich negativen Währungseinflüssen rechnen. Allein seit November bis Ende Dezember verloren der Euro (-3,14 Prozent) und das englische Pfund (-2,86 Prozent) gegenüber dem Franken deutlich an Wert. Der chinesische Renminbi steht sogar 4,75 Prozent tiefer und der Dollar gab sogar 7,56 Prozent ab. Auch wenn die aktuellen Wechselkurse für den Rest des Jahres stabil blieben, ergäbe dies für 2024 bereits schon wieder erhebliche negative Wechselkurseffekte um 4 bis 5 Prozent.. 

Dies muss aber nicht nur negativ sein. Trotz der ständigen Nemesis eines starken Frankens ist eine starke Heimwährung das beste Fitnessprogramm für Schweizer Unternehmen. Es zwingt hiesige Firmen dauernd zu optimieren, effizienter zu werden und ihre Kosten im Griff zu halten. Die Unternehmen bleiben dadurch innovativ, um bei den Kunden höhere Preise mit besseren Produkten zu rechtfertigen. Dies sind auf die Länge gesehen Erfolgsfaktoren, die Schweizer Unternehmen auf der internationalen Bühne erfolgreich machen, schreibt die Helvetische Bank. 

Thomas Daniel Marti
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