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Aktien von kleinen und mittelgrossen Unternehmen weisen langfristig eine überdurchschnittliche Kursentwicklung auf. Dieser oft gehörte Mythos basiert auf der Erwartung, dass besagte Unternehmen über bessere Wachstumsaussichten verfügen.

In einem 23 Seiten starken Strategiepapier räumen die Analysten der UBS um Sebastian Vogel und Jörn Iffert mit diesem Mythos allerdings auf. Wie bankeigene Berechnungen zeigen, haben die 69 von der Grossbank mitverfolgten Firmen aus der Schweiz in den letzten zwei Jahrzehnten in Sachen Wachstum schlechter als die Weltwirtschaft abgeschnitten. Dem nominellen Weltwirtschaftswachstum von rund sieben Prozent im Jahr liegt ein durchschnittliches organisches Umsatzwachstum von gerade mal vier Prozent gegenüber. Diese Diskrepanz ist schon ziemlich deutlich und überrascht daher umso mehr.

Es gibt trotzdem gleich mehrere Schweizer Unternehmen, welche schon seit Jahren ein überdurchschnittlich hohes Wachstumstempo aufweisen. Aus Sicht der UBS-Analysten stechen insbesondere der Pharmazulieferer Lonza, der Premiumschokoladehersteller Lindt&Sprüngli sowie der Halbleiterausrüster Inficon positiv hervor - wobei ich Lonza nicht unbedingt als Nebenwert bezeichnen würde. Die Titel zählen in der Schweiz schon eine ganze Weile zu den Standardwerten.

Höhenflug der Lonza-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: www.cash.ch)

Dass diese drei Aktien im Strategiepapier explizit erwähnt werden, erstaunt mich nicht. Denn schliesslich werden alle drei bei der grössten Schweizer Bank schon eine ganze Weile zum Kauf angepriesen. Bei Lonza wird das 12-Monats-Kursziel mit 580 Franken angegeben, bei Lindt&Sprüngli mit 125'500 Franken und bei Inficon mit 1480 Franken.

In Sachen Wachstum positiv überraschen könnten künftig Schindler, Rieter sowie die ehemalige Sulzer-Tochter Medmix, wenn es nach den Autoren geht. Auch diese Valoren werden zum Kauf empfohlen. Im Gegenzug machen die Analysten bei Kudelski, Stadler Rail und Logitech Raum für Wachstumsenttäuschungen aus. Da liegt es schon fast ein bisschen auf der Hand, dass diese Aktien bei der Grossbank auch offiziell mit "Sell" eingestuft werden. Konsequent ist konsequent.

Für mich zählen die Strategiepapiere von Sebastian Vogel und seinen Mitautoren mittlerweile zur Pflichtlektüre. Immer wieder gelingt es ihnen, mich selbst nach mehr als drei Jahrzehnten an der Börse mit wertvollen Erkenntnissen zu verblüffen. So auch jetzt wieder...

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Die Aktien von AMS Osram kosteten am letzten Freitag zeitweise keine 92 Rappen mehr. So günstig waren die Valoren des Sensorenherstellers aus dem beschaulichen Unterpremstätten noch nie zu haben.

Mit 950 Millionen Franken wird das Unternehmen an der Börse gerade noch bewertet. Das ist ein Bruchteil der umgerechnet mehr als 4 Milliarden Franken, welche AMS einst für die frühere Siemens-Tochter Osram hinblätterte.

Schon in wenigen Tagen warten die Österreicher nicht nur mit dem Zahlenkranz fürs zurückliegende erste Quartal, sondern auch mit Vorgaben fürs angelaufene zweite Quartal auf. Im Vorfeld davon ist viel Nervosität zu verspüren, zeigt sich dann doch endlich, wie hoch der ausserordentliche Abschreiber auf den milliardenschweren Investitionen in microLEDs ausfällt.

Die Aktienkursentwicklung von AMS Osram zeigt schon seit Jahren nach unten (Quelle: www.cash.ch)

Am Freitag wurde ausserbörslich ein grösseres Aktienpaket feilgeboten. Gut 4,5 Millionen Titel gingen zu Kursen von etwas mehr als 96 Rappen in neue Hände über. Der überschaubare Verkehrswert dieses Pakets darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier Titel im Umfang eines durchschnittlichen Tagesvolumens die Hand wechselten und die Initiative ganz offensichtlich von einem verkaufswilligen Grossinvestor kam.

Ob der verkaufswillige Grossinvestor in der 19 Seiten starken Unternehmensstudie der UBS zu AMS Osram über die Worst-Case-Berechnungen des Autors François-Xavier Bouvignies gestolpert ist, ist nicht bekannt. Allerdings wäre es durchaus möglich, hält der Analyst doch sogar Kurse von gerade noch 50 Rappen für denkbar, sollte der diesjährige Umsatz rückläufig sein und die eingeleiteten Sparmassnahmen ihre Wirkung nur sehr langsam entfalten. Offiziell werden die Aktien bei der Grossbank mit "Neutral" und einem 12-Monats-Kursziel von 1,20 (zuvor 2,50) Franken eingestuft. Darin enthalten ist ein einmaliger Abschreiber von 750 Millionen Euro auf den Investitionen in microLEDs.

Genaueres erfahren wir diesbezüglich wohl erst am kommenden Freitag. Dass einem Jahresumsatz von umgerechnet 3,4 Milliarden Franken ein Börsenwert von gerade noch 930 Millionen Franken gegenübersteht, lässt erahnen, dass bei AMS Osram bereits viel Negatives eingepreist scheint. Diese Diskrepanz lässt sich auch mit Jahren der Vernichtung von Aktionärswerten und der noch immer vergleichsweise hohen Verschuldung erklären.

Selbst wenn – oder gerade weil – einige Leerverkäufer ihre Wetten gegen den Sensorenhersteller im Hinblick auf kommenden Freitag schliessen, bleiben die Aktien ein Spielball der Spekulanten.

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