In ganz Europa ächzen die Konsumentinnen und Konsumenten unter den steigenden Preisen. Die Inflation, die von den Notenbanken zunächst als vorübergehend betrachtet wurde, hat sich auf dem Kontinent festgesetzt.

Zu den Inflationstreibern, wie dem schnellen Wiederhochfahren der Wirtschaft nach der Pandemie und den Lieferkettenproblemen, kommt seit Ende Februar der Krieg Russlands in der Ukraine, der besonders die Energiepreise in ungeahnte Höhen treibt.

Diese Entwicklung schlägt sich auch in der geografischen Verteilung der Inflation in Europa nieder. Während viele Länder Osteuropas mit zweistelligen Teuerungsraten kämpfen, sieht es im Westen besser aus.

Die Schweiz mit dem starken Franken und der eigenständigen Geldpolitik kommt in ganz Europa noch am besten weg. Doch es ist kein Zufall, dass gleich danach Island und Frankreich folgen (abgesehen vom sehr kleinen EU-Staat Malta).

Island setzt bei der Stromerzeugung auf regenerative Quellen, Frankreich auf Atomkraft. Beide Staaten sind damit weniger von russischem Gas abhängig als etwa Deutschland oder Italien.

Krieg in der Ukraine behindert Lieferketten

Besonders extrem ist die Inflation in den baltischen Staaten. Die EU-Länder Estland, Lettland und Litauen waren schon vor dem Krieg stark von steigenden Energiepreisen betroffen. Nun kommen die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine dazu, der die Lieferketten behindert und die Lebensmittelpreise steigen lässt.

Sogar aus dem Ruder gelaufen ist die Inflation in der Türkei. Die Schwäche der Währung Lira macht importierte Waren immer teurer. Der russische Angriff auf die Ukraine erhöhte zudem die Preise von Energieträgern und Getreide.

Dazu kommt eine Geldpolitik der Notenbank, die nach den Vorgaben des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nichts gegen die Teuerung unternimmt. Erdogan ist ein strikter Gegner höherer Zinsen, die die Inflation dämpfen könnten.

EZB und SNB haben auf die Inflation reagiert

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat inzwischen – wenn auch reichlich spät – auf die Inflation in der Euro-Zone (8,6 Prozent im Juni und sogar 8,9 Prozent im Juli) reagiert und zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt die Zinsen erhöht. Weitere Zinsschritte dürften folgen.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte schon vorher auf die Inflation über dem Zielwert von 2 Prozent reagiert und den Leitzins um 0,5 Prozent auf –0,25 Prozent angehoben. Hierzulande deutet sich damit ein baldiges Ende der Negativzinsen an.

Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "So unterschiedlich leiden Europas Länder unter der Inflation"