Adler war in das Visier der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geraten, nachdem die Immobiliengesellschaft im Oktober 2021 erstmals unter Druck des Leerverkäufers Fraser Perring gestanden hatte. Sein Researchdienst Viceroy hatte schwere Vorwürfe gegen Adler erhoben, darin ging es unter anderem um die Bewertung von Immobilienprojekten. Adler hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Ende April hatte die Adler Group trotz der Verweigerung des Testats durch die Wirtschaftsprüfer von KPMG Zahlen für 2021 bekannt geben müssen. Für den Jahres- und Konzernabschluss 2022 steht KPMG dem Unternehmen nicht mehr als Wirtschaftsprüfer zur Verfügung. Die Suche nach einer neuen Prüfungsgesellschaft musste das Management nun aufgeben. Stattdessen wurde gerichtlich eine Bestellung beantragt, berichtete Verwaltungsratschef Stefan Kirsten in einer Telefonkonferenz mit Journalisten am Dienstagmorgen. Dies sei aber lediglich für die Geschäftsbereiche in Deutschland möglich - und auch dann könne der bestellte Wirtschaftsprüfer das Mandat noch ablehnen.
Die Adler-Aktien standen gegen Mittag 19 Prozent im Minus bei knapp über 2 Euro. Am Montag waren sie als Reaktion auf die Bekanntgabe der vorläufigen Vereinbarung mit den Anleihegläubigern noch um 42 Prozent in die Höhe geschossen. Grössere Schwankungen wie diese Woche sind allerdings mittlerweile nicht selten für die Aktie, die seit Mitte September 2021 fast 90 Prozent an Wert verloren hat. Vor den Vorwürfen durch den Briten Perring und die Untersuchungen der Bafin wurde das Papier noch recht beständig über 20 Euro gehandelt.
Die jüngst getroffene Vereinbarung mit den Gläubigern dürfte nach Adlers Angaben die Finanzierung bis Mitte 2025 sichern. Allerdings müssten der Umsetzung des Plans 75 Prozent der Anleiheinhaber zustimmen. Bislang hat der Konzern sich mit 45 Prozent der Gläubiger geeinigt, darunter die Investmentgesellschaften Pimco und Blackrock. Adler wolle in der kommenden Woche darüber informieren, wie viele Anleihegläubiger die Umstrukturierung akzeptiert hätten, sagte Kirsten. Mitte nächsten Monats werde eine Versammlung der Anleihegläubiger einberufen, fügte er hinzu.
Sofern die Einigung gelingt, gilt sie laut Adler auch für den theoretischen Fall, dass keine weiteren Portfolio- oder Projektveräusserungen stattfinden. Ebensolche stehen aber weiter ins Haus, da Adler sich künftig auf Berlin konzentrieren will. Im dritten Quartal kam der Konzern dabei voran: Adler konnte den Verkauf von drei Entwicklungsprojekten abschliessen. Der Gesamtbruttoerlös belief sich auf rund 218 Millionen Euro. Ausserdem wurde der Verkauf eines weiteren Objekts für einen erwarteten Bruttoerlös von rund 37 Millionen Euro vereinbart, wie das Unternehmen weiter mitteilte. Die Verschuldung bleibt aber weiter hoch.
Bis Ende September 2022 fiel der beizulegende Zeitwert des Portfolios von Adler im Vergleich zur Jahresmitte aufgrund höherer Finanzierungskosten um 2,3 Prozent. Im Vorjahresvergleich hat sich der Wert allerdings etwas gebessert, ebenso wie die Leerstandsquote. Sie hat sich mit 1,7 Prozent fast halbiert. Der für die Anleihebedingungen massgebliche Verschuldungsgrad (bereinigt um die zur Veräusserung gehaltenen Positionen) lag per Ende September bei 55 Prozent und damit unter dem relevanten Schwellenwert der Anleihebedingungen von 60 Prozent, wie es weiter hiess. Er gibt die Schulden in Relation zum Verkehrswert der Immobilien an. Bereinigt um die zum Verkauf stehende Beteiligung an Brack Capital Properties liegt er bei 59,9 Prozent. Ende Juni hatte der Wert noch 58 Prozent betragen, Ende 2021 noch 50,9 Prozent.
Adlers Nettomieterträge brachen bis Ende September wegen der Verkäufe um 28 Prozent auf 187 Millionen Euro ein. Das operative Ergebnis aus Vermietung (FFO 1) fiel sogar um ein Drittel auf 68 Millionen Euro. Unterm Strich schrieb Adler 747 Millionen Euro Verlust, ein Jahr zuvor waren noch knapp 304 Millionen Euro Gewinn angefallen./lew/tav/stk
(AWP)