Befürchtungen wegen eines möglichen Einbruchs des chinesischen Immobiliengiganten Evergrande haben zu Kursrutschen an den Aktienmärkten geführt. (Bild: Shutterstock.com/hxdbzxy)
Befürchtungen wegen eines möglichen Einbruchs des chinesischen Immobiliengiganten Evergrande haben zu Kursrutschen an den Aktienmärkten geführt. (Bild: Shutterstock.com/hxdbzxy)

Der Schweizer Aktienmarkt und die europäischen Börsenindizes sind am Dienstag mit festeren Kursen in den Tag gestartet. Nach dem Kursrutsch vom Vortag und der vergangenen zwei Wochen im Zusammenhang mit den Befürchtungen wegen eines möglichen Einbruchs des chinesischen Immobiliengiganten Evergrande, könnten das erste Anzeichen eines Stabilisierungsversuchs sein. Ob sich die Märkte nachhaltig beruhigen oder gar zu einer Gegenbewegung ansetzen, wird sich weisen müssen. Vorderhand fehlen Impulse aus China, da dort die Märkte wegen eines Feiertags geschlossen sind.

Problem ist weder neu noch überraschend

Nach Ansicht der DWS scheinen die durch die drohende Umschuldung von Evergrande, Chinas hoch verschuldetem und zweitgrösstem Immobilienentwickler (Verbindlichkeiten in Höhe von ca. USD 300 Mrd.), ausgelösten Kursrutsche zumindest im Moment in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Situation zu stehen. Diese Probleme seien weder neu noch überraschend. Zwischen 2014 und 2018 sei die Verschuldung der Immobilienentwickler rasant gestiegen. Bei Evergrande sei dies auch durch die Expansion in andere Geschäftsbereiche verursacht (von einer Fussballmannschaft und einer Akademie bis hin zu Mineralwasser und Elektrofahrzeugen).

"Die jüngste Krise begann, als die chinesische Regierung restriktive Massnahmen ergriff, um die Schuldenlast im Immobilien-sektor zu verringern, beziehungsweise zu begrenzen", so DWS. Auch dies sei nicht überraschend und dauere schon eine ganze Weile an. Seit dem Sommer hätten die schwachen Immobilienpreise und die schwächeren Immobilienkäufe infolge der staatlichen Restriktionen die Situation verschärft, so dass Evergrande seine Zinszahlung am 20. September ausfallen liess. "Sowohl die Aktien als auch die Anleihen anderer hoch verschuldeter chinesischer Immobilienentwickler wurden in den letzten Monaten ebenfalls unter Beschuss genommen – was wiederum verdeutlicht, dass das Potenzial eines Kreditereignisses, das von diesem Segment ausgeht, für die meisten Marktteilnehmer kaum als grosse Überraschung gelten kann."

Wie die DWS weiter folgert, dürfte ein Grossteil der unmittelbaren negativen Nachrichten bereits eingepreist sein. Dennoch bleibe die Situation ungewiss, und könnte weitere Ereignisse nach sich ziehen. "Obwohl wir der Meinung sind, dass das wahrscheinlichste Szenario nach wie vor eine recht geordnete Umschuldung anstelle von Zahlungsausfällen oder -verzögerungen ist, könnte die Sorge um eine bevorstehende Anleihezahlung am Donnerstag die Nerven weiter strapazieren."

Ausmass sozialer Unruhen begrenzen

In jedem Fall geht die DWS davon aus, dass die Priorität der chinesischen Behörden darin liegen dürfte, das Ausmass sozialer Unruhen, und nicht das Ausmass der Marktkorrekturen zu begrenzen. Chinesische Bauträger verlangen von Hauskäufern in der Regel hohe Vorauszahlungen, oft ein oder zwei Jahre vor der Fertigstellung eines Projekts, die einen Grossteil der Ersparnisse der Hauskäufer ausmachen. Das seien die Gläubiger, die den chinesischen Entscheidungsträgern am meisten am Herzen liegen dürften, so DWS. "Wir würden erwarten, dass die Behörden auf regionaler oder kommunaler Ebene eingreifen, um solche Projekte zu übernehmen und zu gegebener Zeit abzuschliessen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass solche Massnahmen über Nacht organisiert und durchgeführt werden können."

Dennoch habe die chinesische Regierung (vor allem auf zentraler Ebene) ein starkes Interesse daran, das negative Szenario gross angelegter Zwangsverkäufe zu vermeiden. Denn dies könnte zu Dominoeffekten führen, an deren Ende viele chinesi-sche Haushalte finanzielle Einbussen hinnehmen müssten. Schliesslich stünden Wohlstand und soziale Sicherheit derzeit im Mittelpunkt der chinesischen Politik, insbesondere im Vorfeld des 20. nationalen Parteitags der Kommunistischen Partei Chi-nas im nächsten Jahr.

Potenzial für Dominoeffekte

Zu bedenken ist laut DWS auch, dass das direkte Engagement ausländischer Anleiheinhaber bei Evergrande relativ bescheiden zu sein scheine. Selbst unter den inländischen Banken sollte das Engagement ziemlich breit gestreut zu sein, und die hohe Verschuldung dürfte bereits zu hohen Abschreibungen geführt haben, was weitere Schieflagen vielleicht begrenzen könnte. Einzelne kleinere Banken könnten stärker betroffen sein, d. h. das Volumen ihrer notleidenden Kredite könnte erheblich ansteigen. Allerdings seien chinesische Banken und Finanzinstitute auch stark bei den Zulieferern von Evergrande engagiert.

"Dies verdeutlicht das Potenzial für Dominoeffekte. Die Investitionen chinesischer Banken in Evergrande wäre für sich genom-men überschaubar, aber nicht, wenn andere auch noch in Mitleidenschaft gezogen werden. Zudem würde eine Verschlech-terung der Wachstumsprognosen die Stimmung weiter verschlechtern, nicht nur bei den chinesischen Immobilienkäufern", so die DWS-Experten.

Dieser Artikel wurde cash von Investrends.ch zur Verfügung gestellt. Verpassen Sie keine News zu aktuellen Themen aus der Fonds- und Asset-Management-Branche. Investrends.ch liefert Ihnen im Newsletter zweimal wöchentlich die Zusammenfassung der Nachrichten und informiert Sie über Sesselwechsel und wichtige Veranstaltungen. Hier abonnieren