Die Märkte revidieren bereits die Wahrscheinlichkeit des geplanten Zinserhöhungspfades der Fed  in Erwartung einer "dovishen" Kursänderung. (Bild: Shutterstock.com/Ronstik)
Die Märkte revidieren bereits die Wahrscheinlichkeit des geplanten Zinserhöhungspfades der Fed in Erwartung einer "dovishen" Kursänderung. (Bild: Shutterstock.com/Ronstik)

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat die Rohstoffpreise auf neue Rekordhöhen getrieben, woraufhin Aktien in einer Risk-off-Bewegung der Märkte abstürzen. "Während Unterbrechungen bei der Öl- und Gasversorgung drohen, rechnen die Märkte mit einer Aufweichung der Politik der wichtigsten Zentralbanken", sagt Michael Salden, Head of Commodities bei Vontobel Asset Management.

Bereits im Vorfeld der Krise hatten Rohstoffe eine geopolitische Risikoprämie eingepreist, die durch die Entscheidung Russlands, in die Ukraine einzumarschieren, einen weiteren Schub erhielt. Der Bloomberg Commodity Index (BCOM) ist seit Jahresbeginn um 20% gestiegen und Brent wird bei über 100 USD gehandelt, dem höchsten Stand seit 2014. Die Gasknappheit in Europa hat sich verschärft, da Deutschland bereits am Montag die Öffnung der Nordstream-2-Gaspipeline blockierte, was laut Salden weitere Probleme bei den dringend benötigten Gaslieferungen wahrscheinlich macht. Infolgedessen ist der Preis von in den Niederlanden gehandeltem Gasseit Montag um 50% angestiegen.

Risiken für die weltweite Ernährungssicherheit

Die Krise wirke sich jedoch nicht nur auf die Energieversorgung aus, da die Lagerbestände aller wichtigen Rohstoffe bereits auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gesunken sind. Auf die Ukraine entfallen 12% bzw. 16% der weltweiten Weizen- und Maisexporte, und es bleibe abzuwarten, inwieweit die ukrainischen Häfen und die Schiffsinfrastruktur durch den militärischen Konflikt beschädigt werden. Darüber hinaus gehören die Ukraine und Russland laut Salden zu den grössten Exporteuren von Düngemitteln, was Risiken für die weltweite Ernährungssicherheit mit sich bringt. Schon am frühen Morgen des 24. Februar hätten alle US-Getreidemärkte bereits ihre maximalen Tagesgewinne von 6% erreicht, was zu erheblichen Handelsunterbrechungen führte, und französischer Weizen sei sogar um 10% gestiegen. Auf den Metallmärkten, die von russischer Dominanz geprägt sind, ergebe sich mit Blick auf die Intraday-Daten des 24. Februar ein ähnliches Bild: Aluminium stieg um 4%, Nickel um 2% und Palladium erreichte untertags sogar einen Preisanstieg von 10%.

"Sanktionen werden auf all diesen Märkten zu weiteren Aufschlägen führen. Angesichts der Abhängigkeit Europas von russischem Gas, Industriemetallen und Düngemitteln könnten sich die Sanktionen jedoch als weniger praktikable Optionen erweisen als erhofft. Darüber hinaus hat Russland ein 150-Milliarden-Euro-Energieabkommen mit China unterzeichnet, um die Verflechtung des Landes mit dem Westen zu verringern, was die Wirkung von Sanktionen weiter untergräbt", erklärt der Rohstoff-Experte.

Der ausgewachsene militärische Konflikt habe das Risiko von Unterbrechungen der Öl- und Gasversorgung erheblich erhöht, aber es sei davon auszugehen, dass Russland seine langfristigen Energielieferverträge wie in der Vergangenheit einhalten werde. Im Gegenzug ist es nach Ansicht Saldens unwahrscheinlich, dass Russland zusätzliches Gas liefern wird, um die europäischen Vorräte im Sommer aufzufüllen, die derzeit 20% unter dem 5-Jahres-Durchschnitt liegen. Dies könnte sich im nächsten Winter als ein grosses Problem erweisen, meint er. Auch die viel diskutierte Sanktion, Russland aus dem Swift-Zahlungssystem auszuschliessen, werde ein heikles Thema sein. "Wenn Russland keine Zahlungen für seine Öl- und Gaslieferungen erhält, wird es seine Lieferungen einschränken oder sogar einstellen. Um die Situation zu entschärfen, könnten Europa und die USA eine sofortige Einigung über ein neues iranisches Ölabkommen anstreben. Ein solches Abkommen würde zwar dazu beitragen, neues Öl auf den Markt zu bringen – bis zu einer Million Barrel pro Tag in sechs Monaten –, würde aber auch neue geopolitische Risiken im Nahen Osten schaffen", so Salden.

Für Zentralbanken rückt Stabilisierung des Wachstums in den Mittelpunkt

Da die Krise das Wachstum in den USA und insbesondere in Europa beeinträchtigen könnte, könnten sich die grossen Zentralbanken von der Inflationsbekämpfung abwenden und sich der Wiederherstellung des Wachstums und des reibungslosen Funktionierens der Kapitalmärkte zuwenden – je nachdem, wie lange die Krise andauert, wie der Rohstoff-Experte weiter ausführt. "In der Tat revidieren die Märkte bereits die Wahrscheinlichkeit des geplanten Zinserhöhungspfades der Fed in Erwartung einer 'dovishen' Kursänderung, da das lange Ende der US-Treasury-Kurve bereits einen starken Rückgang der Realrenditen aufweist", sagt Salden.

Dieser Artikel wurde cash von Investrends.ch zur Verfügung gestellt. Verpassen Sie keine News zu aktuellen Themen aus der Fonds- und Asset-Management-Branche. Investrends.ch liefert Ihnen im Newsletter zweimal wöchentlich die Zusammenfassung der Nachrichten und informiert Sie über Sesselwechsel und wichtige Veranstaltungen. Hier abonnieren