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Seit vergangener Nacht ist klar: Die US-Notenbank weicht vorerst nicht von ihrer Politik des billigen Geldes ab. Im Rahmen des Rückkaufprogramms für amerikanische Staatsanleihen und verbriefte Hypotheken erwirbt sie Monat für Monat Schuldtitel im Gegenwert von 85 Milliarden Dollar.

Die Reaktion der nicht gerade für ihre kritische Haltung bekannten amerikanischen Tagespresse fällt für einmal überraschend harsch aus. In einem Artikel warnt die «Los Angeles Times» sogar vor einem Kollaps der US-Notenbank. Durch die Anleihenrückkäufe habe sich die Bilanzsumme seit Anfang 2008 auf 3,8 Billionen Dollar mehr als vervierfacht. Die aufgeblähte Bilanz berge insbesondere in einem Umfeld steigender Zinsen ein gewaltiges Gefahrenpotenzial. Denn je mehr Anleihen das Institut halte, desto grösser ihr Wertberichtigungsbedarf nach einem Zinsanstieg. Im Artikel zitierte Experten halten es sogar für möglich, dass die US-Notenbank gerettet werden müsse.

Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich kein Freund der in den letzten Jahren beobachteten Monetarisierung der Staatsschulden. Dennoch halte ich den in der «Los Angeles Times» erschienenen Artikel als pure Effekthascherei. Ich streite einen gewaltigen Wertberichtigungsbedarf bei der US-Notenbank nicht ab, sollten die Zinsen in Übersee wieder steigen. Ein Kollaps scheint mir allerdings unwahrscheinlich, kann das Institut in unbegrenztem Ausmass Geld schöpfen.

Kopfzerbrechen machen mir vielmehr die durch die Liquiditätsschwemme an den Finanzmärkten entstandenen Ungleichgewichte. Die US-Notenbank verkommt immer mehr zu einer Gefangenen der eigenen Zins- und Geldpolitik, will sie eine Destabilisierung der Finanzmärkte vermeiden. Je länger sie im bisherigen Umfang am Rückkaufprogramm für amerikanische Staatsanleihen und verbriefte Hypotheken festhält, desto schwieriger wird der Ausstieg.

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Der gestern von Clariant veröffentlichte Zahlenkranz hatte es in sich. Obschon sich die Währungsturbulenzen in den Schwellenländern im zurückliegenden dritten Quartal bei der Umsatzentwicklung bemerkbar machten, belehrte der Basler Spezialitätenchemiehersteller die Kritiker einmal mehr eines Besseren. Unter Ausklammerung von Sonderfaktoren übertraf das Ergebnis auf den Stufen EBITDA, EBIT und Reingewinn die Erwartungen teilweise recht deutlich. Und an der Analystenkonferenz traten die Firmenverantwortlichen sehr überzeugend auf.

So überzeugend, dass in einer mir aus London zugespielten Unternehmensstudie mit dem für die Société Générale tätigen Verfasser ein weiterer Baissier das Handtuch wirft. Der Experte stuft die Aktien von «Sell» auf «Hold» hoch. Nach einer substanziellen Aufwärtsrevision der zukünftigen Gewinnreihen lautet das 12-Monats-Kursziel neu 16 (13) Franken. Der Experte rechnet mit weiteren Anpassungen im Firmenportfolio und damit verbundenen Verbesserungen bei der Umsatzzusammensetzung und den Margen. Eine Verkaufsempfehlung hält er deshalb nicht mehr länger für gerechtfertigt.

Ich muss den Leistungsausweis der Firmenverantwortlichen von Clariant neidlos anerkennen. Der mit der ursprünglich arg kritisierten Übernahme von Süd-Chemie begonnene Transformationsprozess sucht im europäischen Chemiesektor seinesgleichen. Die in den letzten Jahren erzielten Fortschritte spiegeln sich mittlerweile allerdings sowohl in den Markterwartungen als auch in der vergleichsweise stolzen Bewertung wider. Dadurch wird das weitere Aufwärtspotenzial der Aktien fürs erste gebremst.

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Mit einem überraschend soliden Quartalsbericht hauchte ABB den eigenen Namenaktien vergangene Woche neues Leben ein. In einem mir aus dem Berufshandel zugetragenen Kommentar bricht die Credit Suisse einmal mehr eine Lanze für den in Zürich beheimateten Industriekonzern.

Gerade in den frühzyklischen Geschäftszweigen verfüge das Unternehmen über Raum für zukünftige Überraschungen, so der Verfasser des Kommentars. Die Vorbehalte des Marktes in Bezug auf die Auftragslage seien schlichtweg nicht gerechtfertigt. Im Niederspannungsbereich und in der diskreten Automation gestalte sie sich sogar überraschend stark. Mit seinen Gewinnschätzungen für die kommenden beiden Jahre liegt der Experte denn auch um bis zu 7 Prozent über den jeweiligen Konsensschätzungen. Die Aktien werden bei der Credit Suisse weiterhin mit «Outperform» und einem 12-Monats-Kursziel von 26 Franken zum Kauf empfohlen.

Kommenden Monat wird sich Ulrich Spiesshofer erstmals ausgiebiger den Fragen von Analysten und Investoren stellen. Noch ist unklar, ob sich der neue CEO hinsichtlich der zukünftigen Unternehmensstrategie in die Karten blicken lässt. Für Fantasie ist bei ABB auch Sicht der Aktionäre dennoch gesorgt.