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Aktienanalysten gibt es wie Sand am Meer. Will man sich als Vertreter dieser Berufsspezies Gehör verschaffen, muss man sich schon etwas einfallen lassen. Nur wer am lautesten schreit, wird überhaupt noch gehört. Als wäre das Durchleuchten eines börsenkotierten Unternehmens eine olympische Disziplin, gilt deshalb: Schneller, höher, stärker.

Mit anderen Worten: Je aufsehenerregender eine Kaufempfehlung und das dazugehörige Kursziel, desto grösser das mediale Echo und damit verbunden auch ihre Reichweite. Gerade in angelsächsischen Analystenkreisen hat man diesen aus dem Lateinischen übernommenen Leitsatz in den letzten Jahren regelrecht perfektioniert.

Dementsprechend tief griff die mächtige amerikanische Investmentbank Merrill Lynch Ende September in die Effektkiste, als sie eine taktische Kaufempfehlung für die Aktien des Sensorenherstellers AMS aussprach. Offiziell stufte Analyst Adithya Metuku die Papiere schon damals mit "Buy" und einem Kursziel von 28,50 Franken ein. Allerdings liess er im Zuge der taktischen Kaufempfehlung durchblicken, dass er bis in wenigen Jahren sogar eine Kursverdreifachung für möglich halte.

Kursentwicklung der AMS-Aktien in den letzten Tagen (Quelle: www.cash.ch)

Und genau mit dieser Aussage verschaffte sich der Analyst weit über London hinaus Gehör. Die Aktien von AMS schienen zum Selbstläufer zu werden, schoss ihr Kurs doch innerhalb von gerade mal zwei Wochen um fast 25 Prozent nach oben.

Von diesen Avancen ist nicht mehr viel übrig. Zurück auf Start hiess es zuletzt – als wäre das Börsengeschehen eine Partie "Monopoly". Das wiederum ruft den Analysten auf den Plan. In einem mir aus London zugespielten Kommentar kürzt er seine Schätzungen für den operativen Gewinn um bis zu 10 Prozent. Dennoch preist er die Papiere auch weiterhin zum Kauf an. Die momentane Kursschwäche sei eine einmalige Gelegenheit zum Einstieg oder Zukauf, so Metuku.

Anders als Ende September geht der für Merrill Lynch tätige Analyst mit seiner Wortmeldung schon fast ein bisschen im allgemeinen Hintergrundrauschen an den Aktienmärkten unter.

Nicht viel besser ergeht es seinem Abteilungskollegen Blair Stewart. In einer elf Seiten starken Studie zur europäischen Versicherungsindustrie stufte letzterer die dividendenstarken Aktien von Swiss Life am Freitag von "Neutral" auf "Buy" herauf. Vom 385 Franken lautenden Kursziel lässt sich ein Aufwärtspotenzial ableiten, was wohl jedem Anleger den Mund wässrig machen müsste.

Stewart hält die Angst vor Mietzinsausfällen auf dem Liegenschaftenportfolio des Lebensversicherers für übertrieben, zumal mehr als 95 Prozent der Jahresmieten in der ersten Jahreshälfte fliessen. Der Analyst geht deshalb von einem erfreulichen Zwischenbericht für das dritte Quartal sowie von einer Wiederaufnahme des vorübergehend ausgesetzten Aktienrückkaufprogramms ab dem nächsten Januar aus.

Kursentwicklung der Aktien von Swiss Life über die letzten Tage (Quelle: www.cash.ch)

Für gewöhnlich ist den betroffenen Aktien bei Kaufempfehlungen aus dem angloamerikanischen Raum ein Kursfeuerwerk so gut wie sicher. Wie mir Händler berichten, lassen sich bei Swiss Life und AMS bisweilen allerdings kaum Käufer hinter dem Ofen hervorlocken. Beim Lebensversicherer aus Zürich vielleicht auch deshalb, weil meines Erachtens gewisse Fragezeichen hinter die vom Analysten zu den Mieteinnahmen gemachten Aussagen gesetzt werden müssen.

Das Phänomen einer unterkühlt reagierenden Börse ist nicht neu, stiessen doch selbst aufsehenerregende Kaufempfehlungen in den letzten Wochen des öfteren auf taube Ohren. Das könnte durchaus Signalwirkung haben. Was, wenn die Marktakteure den immer neuen Kaufempfehlungen zusehends überdrüssig sind...?

 

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