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An der Börse zählt Fantasie bekanntlich mehr als harte Fakten. Am Schweizer Aktienmarkt gilt das insbesondere für Leonteq. Wenn es bei uns eine "Aktie der Stunde" gibt, dann die des Anbieters strukturierter Produkte. Seit der Publikumsöffnung im Oktober vor drei Jahren hat sich der Börsenwert der ehemaligen Tochtergesellschaft von EFG International nahezu verzehnfacht. Mit keiner anderen Schweizer Aktie liess sich in den letzten Jahren mehr Geld verdienen.

Am vergangenen Donnerstag bot sich den erfolgsverwöhnten Aktionären von Leonteq allerdings ein ungewohntes Bild: Der Zahlenkranz für die ersten sechs Monate des Geschäftsjahres 2015 verfehlte die Analystenerwartungen sowohl hinsichtlich des Transaktionsvolumens als auch des Betriebsertrags. Und der Reingewinn wusste nur dank einer tiefer als erwarteten Steuerbelastung zu gefallen.

Dennoch stieg der Aktienkurs an diesem Tag vorübergehend um 11 Prozent auf 215 Franken und damit auf den höchsten Stand in der noch jungen Firmengeschichte. Der Grund: Das Unternehmen liess durchblicken, dass es gleich mit mehreren möglichen Partnerfirmen wie J.P. Morgan, Deutsche Bank oder Swiss Life Verhandlungen führe.

Leonteq hat es in den letzten Jahren verstanden, immer neue Partnerfirmen an Bord zu holen. Weil das Unternehmen dabei auf dieselbe Technologieplattform zurückgreifen kann, sind diesem Geschäftsmodell praktisch keine Grenzen gesetzt. Das kommt bei Anlegern und Aktienanalysten gleichermassen gut an. Von fünf Banken, die den Anbieter von strukturierten Produkten abdecken, empfehlen nicht weniger als deren vier die Aktien zum Kauf.

Geradezu euphorisch liest sich die jüngste Unternehmensstudie aus dem Hause MainFirst Bank. Darin erhöht der viel beachtete Verfasser das Kursziel der mit "Outperform" zum Kauf empfohlenen Valoren auf 280 (190) Franken. Mit anderen Worten: Obschon sich der Börsenwert von Leonteq in den vergangenen zweieinhalb Jahren knapp verzehnfacht hat, macht der Experte noch immer ein Aufwärtspotenzial von knapp 40 Prozent aus.

Für den Studienverfasser steht fest: Es sind nicht nur früher als erwartet sondern auch zahlreichere und deutlich grössere Partnerschaften zu erwarten. Darüber hinaus werde eine Abspaltung des Optionsabsicherungsgeschäfts an J.P. Morgan geprüft, was ebenfalls für Fantasie sorge. Mittelfristig hält der Experte bei den Aktien von Leonteq sogar noch einmal eine Kursverdoppelung für möglich.

Zwar haben sich der Geschäftsführer und die Verwaltungsräte zuletzt zu einer freiwilligen Verlängerung der Sperrfrist auf ihren Beteiligungen um weitere fünf Jahre verpflichtet. Allerdings haben Geschäftsleitungsmitglieder und Verwaltungsräte im bisherigen Jahresverlauf netto im Gegenwert von knapp 17 Millionen Franken eigene Aktien verkauft, davon alleine im laufenden Monat für 12 Millionen Franken.

An den Qualitäten von Leonteq gibt es nichts zu bemängeln. Doch wo bleibt die Fantasie, wenn man als Anleger schon heute für zukünftige neue Partnerschaften bezahlt. Es dürfte kein Zufall sein, dass die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat in den letzten Monaten Kasse auf einem Teil der eigenen Aktien gemacht haben.

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Während die Schweizer Börse in den letzten fünf Jahren einen regelrechten Höhenflug erlebte, erwiesen sich die Namenaktien von ABB für die Anleger als ein Nullsummenspiel. Noch ist der Geduldsfaden der Aktionäre zwar nicht gerissen, zumindest ist er aber straff gespannt - vermutlich sogar straffer als Ulrich Spiesshofer und seinen Kollegen aus der Geschäftsleitung bislang bewusst war.

Der für das zweite Quartal veröffentlichte Zahlenkranz lässt erahnen, dass sich der Rückgang bei den Basisaufträgen weit in die zweite Jahreshälfte hineinziehen könnte. Gleichzeitig bleibt die Situation in den von Preisdruck und einem intensiven Wettbewerb geprägten Absatzmärkten des in Zürich beheimateten Industriekonzerns schwierig.

Ein Patentrezept gegen diese Art von Problemen gibt es nicht, zumindest nicht auf die Schnelle. Gerade die seit dem Einstieg von Cevian Capital nicht verstummen wollenden Forderungen nach einer Unternehmensaufspaltung zeugen von einer gewissen Ratlosigkeit. Denn aufgrund von Synergien zwischen den verschiedenen Geschäftsbereichen macht eine solche keinen Sinn. Dieser Auffassung ist man zumindest in der Geschäftsleitung von ABB.

Dass das 2,3 Milliarden Franken schwere Aktienpaket beim neuen Grossaktionär nicht weniger als 16 Prozent der verwalteten Vermögen bindet, lässt vermuten, dass dieser Grosses vorhat.

Für Wasser auf die Mühlen von Cevian Capital sorgt nun ausgerechnet der für Nomura tätige Branchenanalyst. Obschon der Experte alles andere als positiv für die Aktien von ABB gestimmt ist, errechnet er auf Basis eines sogenannten Sum-of-the-Parts-Modells einen fairen Wert von 25 Franken. Der Haken daran: Das jedoch nur dann, wenn das Unternehmen über alle Geschäftsaktivitäten hinweg eine Kontrollprämie von 30 Prozent erzielen kann.

So bleibt den Publikumsaktionären auch in Zukunft nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben und auf kreative Vorstösse seitens der beiden Grossaktionäre Investor AB und Cevian Capital zu hoffen.
 

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