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Ich kann mich nicht daran erinnern, dass das hiesige Börsengeschehen schon jemals so sehr mit dicken Überraschungen gespickt war wie in den vergangenen Tagen.

Gleich zwei Überraschungen hatte der gestrige Donnerstag parat, wobei die eine eng mit der anderen einherging. Eigentlich sollte die Bühne an diesem Tag ja ganz der Credit Suisse und ihrem Verwaltungsratspräsidenten António Horta-Osório gehören. Über die Veröffentlichung des Zahlenkranzes für das dritte Quartal hinaus lud die kleinere der beiden Schweizer Grossbanken kurzerhand zu einem Investorentag nach London.

Allerdings dürfte die Grossbank die Rechnung ohne Roche und Novartis gemacht haben. Denn diese versetzten dem Traum einer Basler Pharma-Grosshochzeit am frühen Donnerstagmorgen ein-für-allemal den Todesstoss. Roche übernimmt von Novartis für umgerechnet 19 Milliarden Franken das Aktienpaket aus der Ära Daniel Vasellas.

Und obwohl der Traum nun endgültig ausgeträumt scheint, wurden die Valoren beider Unternehmen im frühen Handel mit kräftigen Kursgewinnen bedacht. Im Zuge dessen kann der Swiss Performance Index (SPI) keine 24 Stunden später über sein bisheriges Rekordhoch von Mitte August bei 16'094 Punkten vorstossen – dies eine weitere Überraschung.

Roche will die stimmenberechtigten Inhaberaktien übrigens vernichten. Dadurch verteilen sich die künftigen Gewinne auf eine geringere Anzahl Aktien und Genussscheine.

Ob gewollt oder nicht, wird dadurch aber vor allem die Aktionärsgruppe um die Gründerfamilien Oeri-Hoffmann besser gestellt. Ihr Stimmenanteil steigt ohne eigenes Zutun von 50,1 auf etwas mehr als 67,5 Prozent.

Ich wäre deshalb nicht erstaunt, würde sich Roche in einem weiteren, längst überfälligen Schritt endlich der angestaubten Kapitalstruktur entledigen und die Einheitsnamenaktie einführen.

Weiterhin unklar bleibt die Rolle des japanischen Investmentvehikels Softbank, welches sich angeblich schon vor Monaten mit 5 Milliarden Dollar bei Roche eingekauft hat.

Auch bei Novartis bahnt sich möglicherweise etwas Grosses an, liesse sich ansonsten doch kam rechtfertigen, dem Rivalen Roche das Aktienpaket mit einem Abschlag von mehr als 13 Prozent gegenüber dem Schlusskurs vom Mittwoch anzudienen.

Ich hielt gestern Donnerstag wie folgt fest:

Mit den knapp 21 Milliarden Dollar, die Novartis zufliessen, liesse sich Berechnungen der UBS zufolge Firmenkäufe im Gesamtwert von bis zu 70 Milliarden Dollar stemmen. Was die Grossbank nicht schreibt: Sollte auch noch Sandoz verscherbelt werden, stünden den Baslern sogar mehr als 100 Milliarden Dollar für Übernahmen zur Verfügung.

Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen vermutlich, dass ich der Akquisitionsstrategie von Novartis-Chef "Vas" Narasimhan eher kritisch gegenüberstehe.

Bei der Credit Suisse haben die Wochen des wilden Spekulierens endlich ein Ende – wenn auch eines mit Schrecken. Die Zukunftspläne von Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório fallen – zumindest an der Börse – grandios durch. Dass die Aktien der Grossbank gestern Donnerstag um 5 Prozent tiefer aus dem Handel gingen, ist an Symbolik kaum zu überbieten.

Den Aktien der Credit Suisse setzen auch Berichte aus Übersee zu (Quelle: www.cash.ch)

Denn die Hoffnung auf eine Abkehr vom kapitalintensiven Investment Banking wurde ebenso enttäuscht wie sämtliche Spekulationen rund um einen Verkauf oder eine Verschmelzung des Asset Management an oder mit einem ähnlich gelagerten Rivalen.

Vermutlich gibt es aber noch einen weiteren, nicht eben weniger triftigen Grund für die Kursverluste der letzten 24 Stunden: Angeblich soll der Vergleich mit dem amerikanischen Justizministerium von 2014 noch einmal durchleuchtet werden. Eine weitere Überraschung eher unangenehmer Art, die für Nervosität sorgt.

Für eine Überraschung sorgte diese Woche auch der einstige Börsenüberflieger AMS Osram – und zwar in Form enttäuschender Vorgaben für das Schlussquartal. Der Sensorenhersteller geht von einem Umsatz zwischen 1,36 und 1,46 Milliarden Dollar bei einer operativen Marge (EBIT) von 8 bis 11 Prozent aus. Davon lässt sich ableiten, dass der operative Gewinn (EBIT) im lukrativen Weihnachtsquartal um rund 15 Prozent unter den entsprechenden Analystenschätzungen liegen wird.

Die Aktien von AMS Osram gerieten am letzten Dienstag denn auch unter die Räder und hatten zeitweise prozentual zweistellige Kursverluste zu beklagen. Dass der ehemalige Finanzchef Michael Wachsler Ziel einer Untersuchung wegen privaten Wertpapiertransaktionen ist, dürfte an diesem Tag auch nicht gerade geholfen haben.

Beides ist Wasser auf die Mühlen von Barclays-Analyst Keagan Bryce-Borthwick. Er rät beim Sensorenhersteller als einziger Vertreter seiner Berufsgilde mit "Underweight" zum Ausstieg. Dies neuerdings sogar mit einem Kursziel von nur noch 14,50 (zuvor 15) Franken.

Dem Analysten zufolge dürften Marktanteilsverluste beim amerikanischen Grosskunden sowie die von Lieferproblemen ausgelöste Flaute in der Automobilindustrie das Unternehmen noch bis weit ins nächste Jahr hinein begleiten. Und selbst fürs Folgejahr sagt Bryce-Borthwick schon heute mehr oder weniger ein Nullwachstum vorher.

Im Fussball würde man dem Analysten vermutlich die gelb-rote Karte wegen Nachtretens zeigen...

Kommen wir an dieser Stelle noch kurz auf die Genfer Bankensoftwareschmiede Temenos zu sprechen. Am gestrigen Donnerstagnachmittag waren einmal mehr aggressive derivatseitige Käufe zu beobachten. Das Interesse galt dabei insbesondere gut handelbaren Call-Warrants wie TEMBBZ, TEMCJB oder WTEATV. Im Wissen um die jüngsten Übernahmespekulationen frage ich mich, ob uns da nächste Woche nicht eine weitere Überraschung ins Haus steht...

Spekulative Käufe treiben die Temenos-Aktien (Quelle: www.cash.ch)

Die kommenden Handelstage versprechen etwas ruhiger zu werden. Neben den SMI-Vertretern Swiss Life, Alcon, Zurich Insurance und Richemont warten nur noch wenige Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe mit Zahlenkränzen auf. Mehr dazu nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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