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Als mir vor wenigen Tagen aus London eine Studie von HSBC zum europäischen Investitionsgütersektor zugetragen wurde, wusste ich nicht, ob ich überhaupt einen genaueren Blick riskieren sollte.

Rückblickend bin ich froh, habe ich mich zu einem solchen entschieden. Denn in der Studie ziehen die Verfasser interessante Rückschlüsse vom Machtgefüge im Aktionariat der mitverfolgten Unternehmen auf die Rentabilität und letztendlich sogar auf die Kursentwicklung.

Die Botschaft der Experten ist unmissverständlich: Je mehr Aktionärsvertreter in einem Verwaltungsrat sitzen oder je substanzieller Verwaltungsräte am Unternehmen beteiligt sind, desto besser ist für gewöhnlich die Rendite auf dem durchschnittlich investierten Kapital. Letztere habe wiederum nachhaltige Auswirkungen auf die Aktienkursentwicklung.

Von den 22 abgedeckten europäischen Investitionsgüterherstellern weist Atlas Copco mit 16,1 Prozent die höchste bereinigte Rendite auf dem durchschnittlich investierten Kapital auf, gefolgt von Kone mit 14,7 Prozent, Andritz mit 13,4 Prozent, GEA mit 12,9 Prozent und Alfa Laval mit 12,7 Prozent. Am schlechtesten schnitten hingegen Philips mit einer Rendite von 4,9 Prozent, Alstom mit 7 Prozent, Siemens mit 7,2 Prozent, Sulzer mit 7,5 Prozent und Metso mit 7,6 Prozent ab.

Während bei der ersten Gruppe von Unternehmen durchschnittlich 23,2 Prozent der Aktien im Verwaltungsrat vertreten waren, waren es bei der letzten Gruppe gerademal deren 6 Prozent. In Dollar betrachtet und unter Wiederanlage von Ausschüttungen hätten die Aktien der ersten fünf Unternehmen den Aktionären über die vergangenen zehn Jahre im Durchschnitt eine Rendite von 23,2 Prozent im Jahr beschert. Die Aktien der letzten fünf Unternehmen hätten dagegen in derselben Zeitspanne nur gerade eine jährliche Rendite von 8,1 Prozent abgeworfen, so die Experten weiter.

Interessant ist auch, dass die bei HSBC mitverfolgten Schweizer Unternehmen bestenfalls im Mittelfeld anzusiedeln sind. Mit einer Rendite auf dem durchschnittlich eingesetzten Kapital von 12,7 Prozent ist Schindler auf Rang sechs zu finden. Und das obschon beim Innerschweizer Hersteller von Aufzügen und Rolltreppen 76,1 Prozent des Kapitals im Verwaltungsrat vertreten sind. Auf Rang acht liegt ABB mit einer Rendite von 12,1 Prozent bei gerademal 7,9 Prozent durch den Verwaltungsrat vertretenem Kapital. Immerhin konnten sich die Aktionäre der beiden Unternehmen über die letzten zehn Jahre an einer jährlichen Rendite von 19,9 respektive 17,4 Prozent erfreuen.

Obschon Sulzer mit einer Rendite von 7,5 Prozent auf dem durchschnittlich investierten Kapital auf Rang 19 und damit in der Schlussgruppe angesiedelt ist, konnten sich die Aktionäre über die letzten zehn Jahre an einer jährlichen Rendite von 22,6 Prozent erfreuen. Vermutlich hätte diese Bilanz ohne Einstieg des russischen Milliardärs Viktor Vekselberg und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Aktienkursentwicklung anders ausgeschaut. Vekselberg ist mit seinen 31 Prozent am Kapital indirekt über einen Vertreter seiner Beteiligungsgesellschaft im Verwaltungsrat des Winterthurer Traditionsunternehmens vertreten.

Ich muss den Experten von HSBC an dieser Stelle ein Kränzchen winden. Währenddem sich die meisten ihrer Berufskollegen in ihrer Beurteilung auf Faktoren wie das Wirtschaftsumfeld oder das Angebot und die Nachfrage in den Absatzmärkten beschränken, schaut endlich mal jemand über den Tellerrand hinaus. Den Berechnungen der Briten zufolge steigert eine um 10 Prozent höhere Aktionärsvertretung im Verwaltungsrat eines Unternehmens die langfristige Rendite für die Aktionäre um bis zu 400 Basispunkte im Jahr. Das ist aus Sicht der Aktionäre mehr als nur ein Apropos.

Auch ausserhalb des europäischen Investitionsgütersektors wird bei einigen Unternehmen «Raubbau am Aktionär» betrieben. Solche Firmen gibt es übrigens auch in der Schweiz und das nicht zu knapp. Handlungsbedarf besteht meines Erachtens vor allem bei den hiesigen Banken.

Mir ist durchaus bewusst, dass Unternehmen verschiedensten Anspruchsgruppen gerecht werden müssen und nicht nur den Aktionären. Es wäre deshalb interessant zu wissen, ob beispielsweise die Stimmung unter den Mitarbeitern oder Kunden von Atlas Copco, Kone oder Andritz schlechter als die bei Philips, Alstom, Siemens oder Sulzer ist. Vermutlich nicht.

Ich hoffe, die Experten der HSBC liefern mit dieser Erhebung eine Steilvorlage für ihre Berufskollegen bei anderen Banken. Solche Beurteilungskriterien gehören meines Erachtens in jede einigermassen brauchbare Unternehmens- oder Branchenstudie.