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Für gewöhnlich ist die Aktienanalyse eine ziemlich trockene und nüchterne Angelegenheit. In einem gestern erschienenen Kommentar belehrt der für JP Morgan tätige Experte seine Leser für einmal jedoch eines Besseren: Er schreibt nämlich, was er tun würde, wäre er für einen Tag CEO der Schweizer Grossbank UBS.

Als erstes würde der Experte dafür schauen, dass die Aktionäre den jeweils vollen Jahresgewinn als Dividende ausbezahlt erhalten. Im Kerngeschäft Wealth Management würde er den Fokus auf organische Marktanteilsgewinne legen und das Investment Banking auf risikogewichtete Aktiven von maximal 70 Milliarden Franken beschränken. Damit verbunden würde der Experte die eingeleiteten Kosteneinspar- und Restrukturierungsmassnahmen vorantreiben.

Nur so komme die Schweizer Grossbank in den Genuss einer weiteren Neubewertung und kämen die Aktionäre in den Genuss einer umfassenden Kapitalrückführung.

Im Kommentar wird die UBS als weltweit grösster und gleichzeitig am stärksten unterbewerteter Vermögensverwalter bezeichnet. Nach Anpassungen im Bewertungsmodell errechnet der verantwortliche Experte neu ein Kursziel von 23 Franken für die mit "Overweight" zum Kauf empfohlenen Namenaktien.

Über die von JP Morgan hervorgebrachten Ideen lässt sich streiten. Dass die Amerikaner im Falle einer Umsetzung aller vier Punkte auf einen fairen Wert von 27 Franken je Aktie kommen, ist vor allem eines: Wunschdenken. Ich kann mir eine Ausschüttung des vollen Jahresgewinns an die Aktionäre jedenfalls beim besten Willen nicht vorstellen. Allerdings lasse auch ich mich gerne eines Besseren belehren.

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Der Höhenflug des amerikanischen Aktienmarkts ist nicht zu bremsen. Entgegen anders lautenden Erwartungen konnte der S&P-500-Index das zurückliegende erste Quartal doch noch mit einem leichten Plus von 1,3 Prozent abschliessen. Es ist bereits das fünfte aufeinanderfolgende Quartal mit einer positiven Entwicklung des Börsenbarometers.

In einem Kommentar verweist Schaeffer’s Research auf eine vergessen gegangene Faustregel. Diese besagt, dass dem S&P-500-Index nach fünf positiven Quartalen in Folge für gewöhnlich ein schwächeres Quartal ins Haus steht. In den Jahren seit 1976 habe sich die Faustregel in vier von fünf Fällen als richtig erwiesen.

Statistisch betrachtet werde das Börsenbarometer im laufenden Quartal um 2,89 Prozent zurückfallen und in einem Jahr um 3,99 Prozent unter dem gestrigen Schlussstand liegen, heisst es weiter.

Solche Faustregeln sind immer mit Vorsicht zu geniessen, gibt es doch die berühmt-berüchtigte Ausnahme von der Regel. Dennoch bleibe ich dabei: Am amerikanischen Aktienmarkt befindet sich die ins sechste Jahr gehende Hausse in einer weit fortgeschrittenen Phase. In dieser Phase lässt sich aus Anlegersicht für gewöhnlich das meiste Geld verdienen, vorausgesetzt, man erwischt rechtzeitig den Ausstieg.

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Man könnte meinen, es handle sich um einen schlechten Aprilscherz: In einer Studie zum europäischen Chemiesektor hebt der viel beachtete Verfasser sein sonst schon ambitiöses Kursziel für die Namenaktien von Clariant noch einmal kräftig an. Neu sieht der Experte die Papiere über die kommenden zwölf Monate auf 24,50 (20) Franken klettern. Vom gestrigen Schlusskurs aus betrachtet entspricht das einem atemberaubenden Aufwärtspotenzial von 44 Prozent.

Die Ertragsentwicklung des in Basel beheimateten Spezialitätenchemieherstellers habe sich in der jüngeren Vergangenheit substanziell verbessert. Weitere Fortschritte seien absehbar, so der Studienverfasser. Dank rückläufiger Restrukturierungs- und Finanzierungskosten und dank Fortschritten beim Umlaufvermögen werde Clariant endlich auch den Cashflow steigern können. Und das, obschon der Investitionsbedarf im Vergleich zum letzten Jahr etwas höher ausfallen werde.

Unter Berücksichtigung negativer Verschiebungen im Währungsgefüge nimmt der Experte seine Gewinnschätzungen für die Jahre 2014 und 2015 leicht nach unten. In Erwartung höherer Margen revidiert er seine Annahmen für die darauffolgenden Jahre um bis zu 5 Prozent nach oben. Insgesamt liegen die neuen Prognosen auf Stufe EBITDA aber noch immer um bis zu 9 Prozent, beim Gewinn je Aktie sogar um bis zu 32 Prozent über den Konsensschätzungen.

Kein Wunder, werden die Papiere von Clariant bei Kepler Cheuvreux zum Kauf empfohlen und gemeinsam mit jenen von Solvay zu den Favoriten im europäischen Chemiesektor gezählt.

Die Argumentation des Experten leuchtet mir grundsätzlich ein. Ab dem laufenden Jahr sollte sich bei den Restrukturierungs- und den Finanzierungskosten eine spürbare Entlastung einstellen. Noch könnte allerdings der höhere Investitionsbedarf den Aktionären auf absehbare Zeit einen Strich durch die Rechnung machen.

Am Turnaround der letzten Jahre gibt es meines Erachtens nichts auszusetzen. Die Firmenverantwortlichen dürfen zu recht stolz auf das Erreichte sein.

Dennoch trägt die über die letzten 18 Monate beobachtete Kursverdoppelung den besseren Ertragsaussichten genauso Rechnung, wie der Hoffnung auf eine grosszügigere Dividende. Anleger sollten sich deshalb entgegen der Empfehlung von Kepler Cheuvreux nicht mehr Hals über Kopf ins "Abenteuer Clariant" stürzen.