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Über Monate hinweg wurde Clariant von der oppositionellen Aktionärsgruppe White Tale belagert. In mehreren Schritten schnürten die Amerikaner ein Aktienpaket von knapp 25 Prozent. Mit diesem hätte sich der Plan, den Baselbieter Spezialitätenchemiehersteller in leichtverdauliche Happen zu zerschlagen und finanzkräftigen Rivalen gewinnbringend zum Frass vorzuwerfen, vermutlich ohne grossen Widerstand in die Tat umsetzen lassen.

Doch es sollte alles ganz anders kommen: Quasi in letzter Minute trat das saudische Partnerunternehmen Sabic als "weisser Ritter" in Erscheinung und kaufte White Tale für eine nicht genannte Summe aus. Womöglich liessen sich die Amerikaner grosszügig für ihr Aktienpaket entschädigen.

Das Nachsehen haben seither die Trittbrettfahrer. Sie hatten im Windschatten von White Tale das schnelle Geld gewittert und finden sich nun in einer völlig neuen Situation wieder: Mit Sabic und den früheren Anteilseigner der deutschen Südchemie hat Konzernchef Hariolf Kottmann nunmehr gleich zwei treue Verbündete im Aktionariat.

Der Laie höre und staune: Kottmann weiss offensichtlich nicht nur ein Unternehmen zu führen, er verteidigt dieses auch wie eine Löwenmutter ihr Kind.

Eine Unternehmenszerschlagung, sie ist endgültig vom Tisch. Die Trittbrettfahrer und Spekulanten, sie ziehen sich aus den Aktien zurück.

Ein kleines bisschen Schadenfreude sei Kottmann gegönnt, bereitet ihm die oppositionelle Aktionärsgruppe White Tale vermutlich doch die eine oder andere schlaflose Nacht.

Allerdings steht er nun in der Pflicht. Es wäre ganz klar falsch, würde sich Kottmann nun hinter der neuen Ausgangslage im Aktionariat - Sabic und die ehemaligen Südchemie-Aktionäre halten gemeinsam eine Sperrminorität - zu verstecken.

Kursentwicklung der Clariant-Aktien über die letzten Wochen (Quelle: www.cash.ch)

Was den zukünftigen strategischen Kurs anbetrifft, müssen sich die Anleger noch bis zum Sommer in Geduld üben. Erst dann will sich Clariant diesbezüglich äussern.

Doch weshalb trennen sich die Baselbieter nicht schon mal gewinnbringend vom Geschäft mit Masterbatches? Denn der Zeitpunkt für einen Verkauf scheint günstig. Erst vor wenigen Tagen erwarb der übernahmehungrige Rivale LyondellBasell die in diesem Bereich tätige A. Schulman für das 13-fache des operativen Gewinns (EBITDA) vor Synergien.

Wie ich einem Kommentar entnehme, bewertet die MainFirst Bank das Geschäft mit Masterbatches bei Clariant mit dem 11-fachen EBITDA. Und das, obwohl die ähnlich gelagerten Geschäftsaktivitäten bei den Baselbietern eine fast doppelt so hohe operative Marge aufweist, als jene von A. Schulman.

Man muss das Eisen schmieden, solange es heiss ist. Bleibt zu hoffen, dass man sich dessen auch am Hauptsitz in Muttenz bewusst ist.

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Wer am Schweizer Aktienmarkt nach Wachstumsunternehmen sucht, stösst früher oder später auf Temenos. Die Bankensoftwareschmiede aus Genf kann auf mehrere Jahre in Folge mit prozentual zweistelligen Wachstumsraten bei Umsatz und Gewinn zurückblicken.

Am Dienstag nach Börsenschluss wartete Temenos mit einem beeindruckenden Zahlenkranz auf, der keine (Anleger-)Wünsche offenliess. Die Verkäufe konnten im Schlussquartal um gut 20 Prozent, die Lizenzeinnahmen sogar um fast 30 Prozent gesteigert werden. Dabei übertraf das Unternehmen die ambitioniert hohen Analystenerwartungen.

Während sich viele seiner Berufskollegen in ihren Kaufempfehlungen bestätigt sehen, kommen bei Knut Woller von Baader-Helvea einmal mehr eher gemischte Gefühle hoch.

Die Aktien von Temenos (rot) im Fünfjahresvergleich mit dem SPI (grün) (Quelle: www.cash.ch)

Woller zeigt sich erstaunt, dass die Unterhaltserträge bei Temenos nicht mit dem starken Wachstum bei den Lizenzeinnahmen schritthalten können. Die sich von den Unterhaltserträgen bei den Genfern auf das eigentliche organische Wachstum schliessen lässt, stellt er die Qualität der ausgewiesenen Ergebnisse und damit die hohe Bewertung in Frage.

Das wiederum erklärt, weshalb die Valoren von Temenos bei Baader-Helvea mit einem Kursziel von gerademal 45 Franken zum Verkauf empfohlen werden.

Nachdem sich der Börsenwert der Bankensoftwareschmiede alleine in den letzten fünf Jahren mehr als versechsfacht hat, werden die Aktien fast mit dem 43-fachen des nächstjährigen Gewinns gehandelt. Das heisst: Als Anleger bezahlt man schon heute nicht nur das Wachstum von morgen, sondern auch gleich noch jenes von übermorgen.

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