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Die Inkubationszeit misst die Zeit zwischen der Ansteckung und dem Ausbrechen einer Infektionskrankheit. Das kann beim Coronavirus mehrere Wochen dauern. Lange schienen die Finanzmärkte völlig immun gegen die aus China eintreffenden Hiobsbotschaften. Vor wenigen Tagen griff das Virus dann allerdings doch noch auf die Aktienkurse über.

Mit einem Minus von fast 12 Prozent alleine seit dem vergangenen Freitag steht der Swiss Market Index (SMI) vergleichsweise gut da, obschon das Börsenbarometer auf unter 10'000 Punkte zurückfällt. Am ärgsten erwischte es - wie üblich in solch turbulenten Phasen - die Aktien von Credit Suisse (-20 Prozent), UBS und von Julius Bär (je -17 Prozent).

Nicht einmal Spekulationen, wonach die mächtige amerikanische Investmentbank Goldman Sachs nach der UBS greifen könnte, konnten den Kurszerfall bremsen.

Dass der Coronavirus ausgerechnet in Italien Fuss gefasst hat, könnte das südeuropäische Nachbarland in die überwunden geglaubte Bankenkrise zurückführen. Schätzungen zufolge gelten dort nämlich noch immer gut 30 Prozent der ausstehenden Kredite als notleidend.

Schlaflose Nächte bereitet mir allerdings nicht Italien, sondern vielmehr das bis über beide Ohren verschuldete und durch den monatelangen Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten geschwächte China. Mit grossem Aufwand versucht die Regierung in Peking die heimische Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten. Bei Berichten, wonach der für seine aggressive Übernahmestrategie berüchtigte Mischkonzern HNA verstaatlicht werden muss, dürfte es nicht bleiben.

Gesamtverschuldung Chinas gemessen am Bruttoinlandprodukt (Quelle: Bloomberg, Cantor Fitzgerald)

Doch auch viele Unternehmen aus der Schweiz spüren die Folgen des Coronavirus-Ausbruchs - sei dies nun, weil sie in den betroffenen chinesischen Provinzen produzieren, von dortigen Zulieferern abhängig sind oder China schlicht und einfach zu den wichtigsten Absatzmärkten zählt.

Die Produktionsunterbrüche in Asien machen sich in einem Komponentenmangel bemerkbar - was die Preise für besagte Teile kräftig steigen lässt. Das schlägt sich in höheren Herstellkosten nieder, welche wiederum auf die Abnehmer überwälzt werden.

Der davon ausgehende Teuerungsschub dürfte zwar nicht von Dauer sein, sollte jedoch auch nicht unterschätzt werden. Die Notenbanken werden dadurch zumindest auf kurze Sicht in ihren Handlungsmöglichkeiten beschnitten. Noch mehr billiges Geld dürfte nicht die erhoffte Wirkung entfalten und die Preisstabilität ernsthaft in Frage stellen.

Dass die Aktien von Swiss Life trotz eines am oberen Ende der Analystenerwartungen liegenden Jahresergebnisses, einer satten Dividendenerhöhung und eines überraschenden Aktienrückkaufprogramms unter Verkaufsdruck stehen, spricht Bände. Nach einer Verkaufsempfehlung durch die amerikanische Investmentbank Morgan Stanley errechnet sich im Wochenvergleich gar ein Minus von mehr als 15 Prozent.

Eine rabenschwarze Woche erwischten auch die Aktionäre von Meyer Burger. Die Papiere des Solarzulieferers aus dem bernischen Gwatt kosten keine 30 Rappen mehr. So günstig waren sie noch nie. Neben der Angst vor ausbleibenden Aufträgen aus China erweist sich auch die Nachrichtenflaute rund um die strategische Partnerschaft mit REC und den Grossauftrag aus Übersee als Fest für die Leerverkäufer.

Die Aktien von Meyer Burger sind so günstig zu haben wie noch nie (Quelle: www.cash.ch)

Gar in einer Abwärtsspirale gefangen sind die Aktien von AMS. Dass die Übernahmepläne für Osram Licht ein ziemlich gewagtes Unterfangen sein würden, war von Beginn weg klar. Nun fliegen dem übernahmehungrigen Firmenchef Alexander Everke die Pläne allerdings ziemlich um die Ohren. Denn je tiefer der Aktienkurs jetzt noch fällt, desto mehr neue Titel muss der Sensorenhersteller ausgeben, um die den kreditgebenden Banken zugesicherten 1,65 Milliarden Euro aufzunehmen.

Selbst eine Charmeoffensive vor Analysten entfaltete in den letzten Tagen nicht die erhoffte Wirkung. Es ist an der Zeit, dass Everke ein Zeichen setzt - beispielsweise indem er möglichst medienwirksam Aktien seines Arbeitgebers kauft.

Auch was Aktienumstufungen anbetrifft, blicken wir auf eine bewegte Woche zurück. Alleine in den letzten 48 Stunden stufte die Zürcher Kantonalbank die Papiere von EFG International von "Marktgewichten" auf Übergewichten und J.P. Morgan jene von Logitech von "Neutral" auf "Overweight" herauf. Die MainFirst Bank kommt hingegen zum Schluss, dass der Coronavirus-Ausbruch das Tagesgeschäft von Richemont beeinträchtigen könnte. Sie senkt deshalb ihr Anlageurteil von "Buy" auf "Hold" und streicht das Kursziel auf 73 (zuvor 91) Franken zusammen. Die Credit Suisse nimmt ihrerseits die Wiederabdeckung der Aktien von Julius Bär mit einer "Outperform" lautenden Kaufempfehlung und einem Kursziel von 58,50 Franken auf. Das müsste man als Anleger ja eigentlich "blind" zulangen, kosteten die Papiere zuletzt doch keine 40 Franken mehr. Die Aktien des Weltmarktführers LafargeHolcim wiederum werden bei BNP Paribas von "Underperform" auf "Neutral", bei der Basler Kantonalbank sogar von "Marktgewichten" auf "Übergewichten" heraufgestuft - beides als Reaktion auf ein überraschend solides Schlussquartal und vielversprechende Gewinnvorgaben für das neue Jahr.

Angesichts der Ausverkaufsstimmung überrascht es allerdings nicht, dass Heraufstufungen ungehört verhallen, während man Herabstufungen teils mit ziemlich brutalen Kursverlusten begegnet.

Bleibt zu hoffen, dass sich die Wogen an den Aktienmärkten bis zum nächsten Freitag etwas gelegt haben, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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