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Die Flut hebt alle Boote, so besagt es zumindest eine alte Börsenweisheit. Gemeint ist, dass ein haussierender Aktienmarkt früher oder später jede Aktie erfasst. Mit der ultralockeren Zins- und Geldpolitik westlicher Zentralbanken der letzten Jahre erhält die Weisheit allerdings noch einmal ganz neue Dimensionen.

Für gewöhnlich ist die letzte Phase einer mehrjährigen Aktienhausse von Gier geprägt. Letztere entlädt sich meist in einzelnen, aber sich häufenden Übertreibungen. Selbstverständlich haben die Haussiers für die meisten dieser Übertreibungen eine plausible Erklärung auf Lager: Einen Paradigmenwechsels und den Beginn einer neuen Ära.

In einem Kommentar warnen die Investmentstrategen von Merrill Lynch vor solchen Exzessen. Verletzlich für Übertreibungen seien die amerikanischen Biotechnologieaktien, die Internet-Aktien, Anleihen mit variabler Verzinsung sowie Luxusimmobilien im Westen der USA.

Noch sehen die Strategen aber keinen Handlungsbedarf, werde die gefährliche Phase doch nicht nur von Gier, sondern für gewöhnlich auch von einem festeren Dollar und Bewegungen am kurzen Ende der Zinskurve begleitet. Darüber hinaus habe der amerikanische Aktienmarkt noch immer zwei Asse im Ärmel: Zum einen die wachsende heimische Wirtschaft und zum anderen die langsam aber sicher anziehende Übernahme- und Fusionstätigkeit. Beides könne die Aktienkurse und jene der Unternehmensanleihen noch einmal steigen lassen. Sowieso sei die Hausse an den Aktienmärkten nur durch eine geldpolitische Kehrtwende der Zentralbanken zu bremsen, so die Strategen.

Wenn ich in meiner mittlerweile gut zwanzigjährigen Laufbahn gelernt habe, dann das, dass Trends an den Finanzmärkten meist länger dauern als gedacht. Gleichzeitig habe ich über alle die Jahre ein Auge für Exzesse entwickelt. Und offensichtlichere Übertreibungen als die sich im amerikanischen Biotechnologiesektor abzeichnende, gibt es kaum. In diesem Zusammenhang empfehle ich die Lektüre meiner Kolumne vom vergangenen Freitag.

Auch wenn es den Strategen von Merrill Lynch vermutlich so gar nicht in den Kram passt: Die Exzesse in Übersee häufen sich rasant. Ein gutes Beispiel liefert der jüngste Kurssprung des Elektroautomobilherstellers Tesla und die geradezu euphorische Kaufempfehlung von Morgan Stanley. Nachdem sich die Aktien während den letzten 12 Monaten auf 250 Dollar verfünffacht haben, rechnet der für das amerikanische Bankinstitut tätige Experte noch einmal mit einer Verdoppelung auf 500 Dollar.

Von Facebook gar nicht erst zu sprechen. Das soziale Netzwerk übernimmt für atemberaubende 19 Milliarden Dollar den Nachrichtendienst WhatsApp mit deren knapp zwei Dutzend Mitarbeitern und wird dafür von der Börse auch noch mit höheren Kursen belohnt. Einige Analysten sprechen bereits vom Beginn einer neuen Zeitrechnung und trauen den aktuell bei knapp 70 Dollar notierenden Aktien inoffiziell einen Anstieg bis auf 90 Dollar zu.

Noch will ich den Teufel an dieser Stelle nicht an die Wand malen. In meiner Brust schlägt von Natur aus das Herz eines Haussiers und nicht das eines Baissiers. Dennoch werde ich das beklemmende Gefühl nicht los, dass wir an den Aktienmärkten schon vor Wochen in die Schlussphase der mittlerweile langjährigen Hausse übergegangen sind. Für Anleger kann diese von Übertreibungen geprägte Phase durchaus einträglich sein, vorausgesetzt sie finden noch rechtzeitig den Ausstieg. Denn je höher die Märkte jetzt noch klettern, desto brutaler wird letztendlich der Rückschlag. Und den Letzten beissen bekanntlich die Hunde.

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Schon seit Tagen sind die Namenaktien der Credit Suisse Mittelpunkt eines erbitterten Kampfes zwischen Haussiers und Baissiers. Heute nun geht der Schlagabtausch zwischen diesen beiden Lagern in eine neue Runde.

In einer Studie zum europäischen Bankensektor rät der für die Berenberg Bank tätige Verfasser der eigenen Anlagekundschaft zu Baisseengagements in den Papieren der Schweizer Grossbank bei gleichzeitigen Hausseengagements in jenen der Erzrivalin UBS.

Noch immer habe die Credit Suisse ihr Geschäftsmodell nicht vollständig an die strukturell bedingten Veränderungen des Branchenumfelds angepasst. Dass sich ein vermutlich schwaches Quartalsergebnis abzeichne, unterstreiche den Handlungsbedarf zusätzlich. Darüber hinaus würden der Schweizer Grossbank in den USA grössere Strafzahlungen drohen. Auf Basis der Konsensschätzungen für das nächste Jahr seien die Aktien der Credit Suisse zwar unterbewertet. Die Unterbewertung relativiere sich allerdings aufgrund der Lücken beim Eigenkapital und der verhaltenen Gewinnentwicklung. Offiziell werden die Papiere deshalb mit einem optisch tiefen Kursziel von 16 Franken zum Verkauf empfohlen.

Auch bei der UBS seien die von Rechtsstreitigkeiten ausgehenden Unsicherheiten das Thema der Stunde. Anders als bei der Credit Suisse trage der Markt der dadurch höheren Eigenmittelunterlegung und dem Rückstellungsbedarf bereits Rechnung. Mit zunehmender Vergangenheitsbewältigung sei mit einer weiteren Neubewertung der mit einem Kursziel von 20 Franken zum Kauf empfohlenen Aktien zu rechnen.

Für Wasser auf die Mühlen der Haussiers sorgt hingegen der Experte von Barclays Capital. Er stuft die Namenaktien der Credit Suisse heute von «Equal-weight» auf «Overweight» hoch und erhöht das Kursziel auf 33 (28) Franken. Die Schweizer Grossbank profitiere von den überarbeiteten Vorschriften, welche den Rückstand beim Leverage Ratio zur UBS schliessen würden. Zudem sei das Restrukturierungspotenzial bei der Credit Suisse noch immer gross.

Ich bleibe im Hinblick auf die Quartalsergebnispräsentationen von Ende April bei meiner vorsichtigen Haltung für die Aktien der beiden Schweizer Grossbanken, auch wenn ich hinter dem optisch tiefen Kursziel der Berenberg Bank für die Aktien der Credit Suisse Effekthascherei vermute.