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Fragt man unsere umliegenden Nachbarn, ticken die Uhren bei uns in der Schweiz etwas langsamer. Folglich wird auch dem hiesigen Aktienmarkt eine gewisse Trägheit nachgesagt. Das wiederum hat mit der Dominanz der drei defensiv geltenden Indexschwergewichte Nestlé, Roche und Novartis zu tun.

Machten angelsächsische Aktienstrategen in den vergangenen Monaten einen grossen Bogen um den Schweizer Aktienmarkt, so können sie sich zumindest selektiv zusehends wieder für hiesige Aktien begeistern.

Heute erhalten nach den Aktien der Lonza Group auch jene der Zurich Insurance Group Einzug auf der Liste der "European Best Equity Ideas" von J.P. Morgan. Das überrascht nicht, stufte die amerikanische Investmentbank die dividendenstarken Papiere doch erst vor einer Woche aus taktischen Gründen von "Neutral" auf "Overweight" herauf. Das gerademal bei 304 Franken liegende Kursziel lässt allerdings keine grosse Überzeugung vermuten.

Die Aktien von Novartis (rot), Zurich Insurance (grün) und Lonza (violett) im Vergleich (Quelle: www.cash.ch)

Noch immer wird dem traditionsreichen Versicherungskonzern aus Zürich ein Interesse am Lebensversicherungsgeschäft der australischen Commonwealth Bank nachgesagt. In den letzten Tagen sei ein 4 Milliarden australische Dollar schweres Schlussangebot eingegangen, so heisst es in der dortigen Presse. Es muss davon ausgegangen werden, dass eine Übernahme von diesem Kaliber bei der Zurich Insurance Group einen Grossteil des Überschusskapitals absorbieren und der Hoffnung auf eine Sonderdividende einen kräftigen Dämpfer versetzen würde.

Die HSBC setzt heute hingegen die Aktien von Novartis auf die "Europe Super Ten Liste". Die für die britische Grossbank tätigen Strategen finden sichtlich Gefallen an der starken Bilanz und der hohen Barmittelgenerierung des Gesundheitskonzerns aus Basel. Darüber hinaus erwarten sie dank der starken fortgeschrittenen Entwicklungspipeline eine baldige Rückkehr zu Wachstum. Auch die Kollegen von Piper Jaffray nahmen die Valoren von Novartis vergangene Nacht ins "Model Portfolio" auf.

Dass mächtige Banken wie J.P. Morgan, Piper Jaffray oder HSBC vermehrt wieder auf Aktien aus der Schweiz setzen, zeigt: Unser Heimmarkt ist besser als sein Ruf...

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Seit Wochen lassen Konzernchef Hariolf Kottmann und sein Finanzer Patrick Jany keine Gelegenheit aus, um die Aktionäre und alle die es werden wollen von den Vorzügen eines Zusammenschlusses von Clariant mit dem amerikanischen Rivalen Huntsman zu überzeugen.

Die Zeit eilt, wird der Spezialitätenchemiehersteller aus Basel voraussichtlich doch schon im Dezember, spätestens aber im Januar eine ausserordentliche Generalversammlung zu diesem folgeschweren Traktandum einberufen.

Und auch die oppositionelle Aktionärsgruppe White Tale - sie kontrolliert mittlerweile gut 15 Prozent der Stimmen - war zuletzt alles andere als untätig. In einem offenen Schreiben an den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung erteilt sie dem transatlantischen Schulterschluss heute einmal mehr eine klare Absage und fordert die Verantwortlichen auf, eine Investmentbank mit der Prüfung strategischer Alternativen zu beauftragen.

Wie ich einer Rückmeldung von Kepler Cheuvreux von einer Road-Show mit Kottmann und Jany entnehme, gab es im Vorfeld des öffentlichen Schreibens bloss ein weniger als 30 Minuten dauerndes Telefonat sowie ein wenig aufschlussreiches Treffen zwischen Vertretern von Clariant und jenen von White Tale.

Kürzlich sah sich der für Alliance Bernstein tätige Chemieanalyst gar zu einer Reduktion der Erfolgswahrscheinlichkeit für den transatlantischen Schulterschluss von 80 auf 60 Prozent veranlasst. Das nicht ganz ohne Hintergedanken: Seines Erachtens müsste sich das kombinierte Unternehmen von Geschäftsaktivitäten im Total von rund der Hälfte des operativen Jahresgewinns (EBITDA) trennen und den auf 10 Milliarden Dollar geschätzten Verkaufserlös reinvestieren, um sich strategisch neu aufzustellen. Das wiederum weckt Zweifel am Sinn des Zusammenschlusses.

Im Zuge des Beteiligungsausbaus auf 15,1 Prozent steigt White Tale zum wichtigsten Anteilseigner von Clariant auf und verweist die Altaktionäre von Süd-Chemie mit ihren knapp 14 Prozent auf den zweiten Platz.

Damit wird es zusehends eng für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung. Denn sollten wie gewohnt nur 50 bis 60 Prozent der Stimmen an der ausserordentlichen Generalversammlung vertreten sein, brächte die oppositionelle Aktionärsgruppe alleine rund ein Viertel der anwesenden Stimmen auf die Waage.

Im frühen Handel erreichten die Clariant-Aktien bei 24 Franken gar ein neues 15-Jahres-Hoch (www.cash.ch)

Ein ernsthaftes Problem hätten nicht zuletzt auch amerikanische Hedgefonds, würde die Hochzeit zwischen Clariant und Huntsman auf Druck von White Tale abgesagt. Im Zuge von Arbitragetransaktionen werde mit einem dreistelligen Millionenbetrag gegen die Aktien des Basler Spezialitätenchemiekonzerns spekuliert, so wird mir jedenfalls berichtet.

Ich bleibe dabei: Den Aktien von Clariant winken höhere Kurse, wie auch immer der Machtkampf ausgehen möge. Sei es aufgrund eines grosszügigen Gegenangebots, einer Unternehmenszerschlagung oder über Synergien mit Huntsman auf Zeit.

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