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Bisher gab man sich am Hauptsitz von ABB in Zürich äusserst entspannt, was den Einstieg von Cevian Capital anbetrifft. Allerdings dürfte sich das seit vergangener Woche schlagartig geändert haben. Denn die skandinavische Investmentgesellschaft liess, vermutlich mit voller Absicht, kleine Indiskretionen in die Medien durchsickern. Und diese haben es in sich: Cevian Capital wolle die am Industriekonzern gehaltene Beteiligung auf bis zu 20 Prozent erhöhen, so hiess es.

Wie einer Offenlegungsmeldung entnommen werden kann, hielt der neue Grossaktionär Ende Juli einen Stimmenanteil von 5,2 Prozent. Diese Beteiligung werden die Skandinavier kaum aus eigener Kraft auf 20 Prozent ausbauen können, bindet diese mit 2,3 Milliarden Franken doch heute schon geschätzte 16 Prozent der verwalteten Vermögen.

Es liegt deshalb nahe, dass Cevian Capital die Nähe zu Investor AB sucht. Die Beteiligungsgesellschaft der Familie Wallenberg kontrolliert ihrerseits 9,34 Prozent der Stimmen. Zu einer Aktionärsgruppe zusammengeschlossen, würden die beiden Investmentvehikel knapp 15 Prozent der ausstehenden Aktien auf sich vereinen. Bis auf die genannten 20 Prozent wäre es dann nicht mehr ganz so weit.

Doch nicht nur die Indiskretionen des neuen Grossaktionärs, auch die strategische Neuausrichtung des amerikanischen Rivalen Emerson Electric sollte den Verwaltungsrat von ABB nachdenklich stimmen. Weniger wegen dessen überraschend pessimistischen Aussagen zum Geschäftsumfeld sondern vielmehr wegen der geplanten strategischen Neuausrichtung. Denn Emerson Electric will sich von mehreren Geschäftszweigen trennen, unter anderem vom amerikanischen Stromübertragungstechnikbereich.

In einem mir zugespielten Kommentar aus dem Aktienhandel der MainFirst Bank lässt der Autor durchblicken, dass der amerikanische Rivale schon heute eine fokussiertere Strategie als ABB verfolge. Die strategische Neuausrichtung werde den Druck auf den in Zürich beheimateten Industriekonzern weiter verstärken, zumal ihm mit Cevian Capital ein neuer grosser Aktionär im Nacken sitze.

Ich teile die Meinung der Branchenexperten, welche keinen Nutzen in einer Aufspaltung von ABB sehen. Die von J.P. Morgan errechnete Summe der einzelnen Unternehmensteile liegt auf die Aktie heruntergebrochen sogar unter dem Schlusskurs vom Freitag. Die einzelnen Geschäftsbereiche müssten schon mit ähnlich gelagerten Aktivitäten anderer Rivalen verschmolzen werden, um über Synergien Aktionärswerte zu schaffen - ein meines Erachtens kein einfaches Unterfangen für die Entscheidungsträger von ABB.

Auch Clariant scheint mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Das lässt zumindest ein eher wirres Interview von Hariolf Kottmann, seines Zeichens Chef beim Basler Spezialitätenchemiekonzern, vermuten. Gegenüber dem deutschen Wirtschaftsmagazin WirtschaftsWoche liess Kottmann durchblicken, dass im Rahmen der Akquisitionsstrategie auch Zusammenschlüsse mit grösseren Konkurrenten geprüft würden - sofern sich damit eine Stärkung der Marktstellung im Kerngeschäft erzielen lasse.

Gleichzeitig erteilt er den in den vergangenen Wochen immer wieder aufkeimenden Übernahmespekulationen eine klare Absage: Es habe keine Gespräche gegeben und werde auch keine solchen geben, weder mit Evonik noch mit anderen, so Kottmann im Interview.

Während die WirtschaftsWoche ihrerseits Croda, DSM oder Umicore als mögliche Partnerunternehmen für einen Zusammenschluss ins Spiel bringt, hält der für Helvea tätige Branchenexperte neben Croda und Solvay eben gerade Evonik und BASF für die passendsten Rivalen. Wie dieser in einem Kommentar schreibt, glaubt er nicht, dass BASF am Basler Spezialitätenchemiehersteller interessiert sein könnte. Bei Croda gebe es hingegen nur in einem Geschäftsbereich Anknüpfungspunkte zwischen den beiden Unternehmen und Solvay befinde sich inmitten des Integrationsprozesses von Cytec. Bliebe demnach noch Evonik.

Darf man dem viel beachteten Experten Glauben schenken, dann könnte Clariant den Spiess umdrehen und beim deutschen Rivalen mit einem sogenannten "Reverse Takeover" vorstellig werden. Die Aktien der Basler hätten deutlich besser als jene von Evonik abgeschnitten, was für das Management von Clariant spreche, so schreibt er. Gleichzeitig würden im Aufsichtsrat von Evonik mehrere Personen aus dem alten Hoechst-Netzwerk sitzen, zu welchem auch die meisten Führungskräfte von Clariant zählen.

Ich kann nicht genau sagen, was Hariolf Kottmann mit den im Interview gemachten Aussagen genau bezwecken will. Zeigt er Evonik absichtlich die kalte Schulter, um sich in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen - oder wähnt er eventuell sogar die Unabhängigkeit seines Arbeitgebers in Gefahr?

Nach der erfolgreichen Neuausrichtung der letzten Jahre muss Clariant schauen, nicht in fremde Hände zu fallen. Das Aktionariat gilt als stark fragmentiert, hält doch selbst die Gruppe früherer Südchemie-Aktionäre nur 13,9 Prozent der ausstehenden Aktien. Darüber hinaus gibt es keine weiteren Schwergewichte, weshalb den Baslern dasselbe Schicksal wie Syngenta blüht (siehe Kolumne vom 6. August).

 

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