In diesem Jahr feiert Albert Einsteins Relativitätstheorie ihren 100. Geburtstag, während sich im April der Tod des berühmten Physikers zum 60. Mal jährte. Erstaunlicherweise war der Mann, der als Begründer der modernen Physik gefeiert wird, ein grosser Verfechter von Einfachheit. Ihm wird der Ausspruch "Wenn du es einem Sechsjährigen nicht erklären kannst, dann hast du es selbst nicht verstanden" zugeschrieben. Sein Ansatz ist heute so gültig wie eh und je.

Einstein ist bei weitem nicht der einzige Wissenschaftler, der so dachte. Auch die Mathematiker sind ständig auf der Suche nach "eleganten" Lösungen, die einfach, aber effektiv sind. Stephen Hawking, der wohl berühmteste lebende Wissenschaftler, hat viele Jahre lang nach der so allgemein gültigen wie schwer fassbaren "Universaltheorie" gesucht. De facto ist Einfachheit das ultimative Ziel der meisten wissenschaftlichen Forschungsprojekte. Einfachheit erleichtert das Verständnis. Einfachheit fördert Effizienz. Einfachheit bewirkt, dass weniger schief geht.

Leider ist Einfachheit in der Finanzbranche Mangelware. So gründeten die ausgefeilten Produkte, von denen es im Vorfeld der Finanzkrise nur so wimmelte, auf komplexen mathematischen Modellen, die niemand nachvollziehen konnte. Dem gegenüber steht die warnende Feststellung, die bereits vor über 50 Jahren Benjamin Graham, der Lehrmeister von Warren Buffett, getroffen hatte: je komplizierter die mathematischen Formeln zur Untermauerung einer Anlagestrategie sind, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass Erfahrung durch Theorie und Investments durch Spekulation ersetzt werden.

Im Assetmanagement stehen wie in der gesamten Finanzbranche Reformen an, da die Aufsichtsbehörden dem wiederholten Missbrauch einen Riegel vorschieben wollen. So sehen sich Fondsmanager mittlerweile einem bislang beispiellosen Mass an Überwachung und Misstrauen gegenüber. Auch stellen die Investoren die Frage, ob so genannte "aktiv gemanagte" Fonds ihr Geld wert sind, und entscheiden sich häufig für kostengünstige Indextracker. Die von den Zentralbanken seit Jahren gesetzten Anreize haben die Volatilität der Aktienmärkte, die das Lebenselixier des aktiven Fondsmanagements ist, sozusagen sterilisiert.

Eine der grössten Herausforderungen, vor denen die Branche steht, ist die Wiedergewinnung des Vertrauens skeptischer Anleger und der Hüter der Märkte. Diese Herausforderung ist sowohl ethischer als auch organisatorischer Natur. Eine einfachere Vergütungsstruktur ist beim Ausschalten inhärenter Interessenkonflikte von Vorteil. Beispielsweise ist in Grossbritannien jetzt die Zahlung von Provisionen durch Fondsmanager an Finanzberater, wodurch den Investoren die Kosten verschleiert wurden, untersagt. Diesem Beispiel wollen andere Länder folgen.

Gleichzeitig brauchen die Aufsichtsbehörden Gewissheit, dass sich die Finanzinstitute korrekt verhalten. Ob es ihnen gefällt oder nicht, aber Fondsmanager werden eher wie Banken behandelt. So liegen in den USA Gesetzesentwürfe vor, die sie als für die Finanzbranche "systemrelevant" erachten, so dass sie etlichen nach der Finanzkrise verschärften Vorschriften unterliegen. Dem gegenüber wenden Assetmanager ein, dass ihre Branche nicht die gleichen Risiken aufweist, da sie nicht mit eigenem Kapital arbeiten.

Die Entwicklung und Vermarktung von Produkten, die leicht verständlich sind, ist eine Priorität. Die Aufsichtsbehörden streben einen erhöhten Anlegerschutz an, aber dies hat nicht weniger, sondern mehr Komplexität zur Folge. So zum Beispiel bewirkt eine klein gedruckte Erläuterung der mit einer Anlage verbundenen Risiken das Gegenteil, denn je länger der Disclaimer ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er überhaupt gelesen wird. Im reichlich späten Bestreben zur Behebung dieses Missstands sind jetzt in vielen Ländern leichter verständliche "Mini-Prospekte" Vorschrift.

Die Empörung über das Verhalten etlicher Unternehmen vor der Finanzkrise hat dem Comeback der Einfachheit im Geschäftsverkehr und bei der Regulierung Vorschub geleistet. Allerdings sollten Finanzinstitute, vor allem Vermögensverwalter, den Grundsatz der Einfachheit nicht beherzigen, weil sie sich dazu verpflichtet fühlen, sondern weil sie es wollen, denn wenn sie ihrem Investmentprozess und ihrer Anlagephilosophie vertrauen können, haben sie nichts zu befürchten. Konstruktive Kritik sollte nicht zurückgewiesen, sondern geradezu eingefordert werden. Wir begrüssen die Rückkehr zur Einfachheit, denn der Einfachheit gehört die Zukunft.