Seit letzter Woche erscheint in der Gratis-Pendlerzeitung  "20minuten" an jedem Werktag ein doppelseitiger Fortsetzungsroman. Angekündigt in einer einige Seiten vorher platzierten Anzeige mit einer intelligent formulierten, gut lesbaren Schlagzeile. Alles mit dem Logo eines bekannten Buchverlags in Zürich.

Eine geniale Idee, fand ich: Endlich eine kreative Variante zur bisher üblichen, langweiligen Buchwerbung. Auch auf der Doppelseite eine Schlagzeile, die von mir sein könnte: "20 Minuten lesen am Tag. Das ist der Trick." Denn der neue Roman von Emanuel Bergmann heisst "Der Trick".

Also stürzte ich auf den Text los und versuchte ihn zu lesen. Was leider misslang, weil der Grafiker die Typografie so gestaltet hat, dass man mit der Lektüre nach einigen Zeilen aufhört.

Grund: Man kann den Text nicht lesen. Die Spalten sind unendliche 111mm breit, jede muss es mit 71 Anschlägen aufnehmen und der Zeilendurchschuss beträgt 4mm. Entsprechend klein der Schriftgrad, etwa 9 Punkt, entsprechend klein die Chance, die richtige Zeile der nächsten Zeile zu finden.

Ein typisches und leider nicht seltenes Beispiel, fand ich, wie ein hervorragender Einfall durch eine gedankenlose und leserfeindliche Realisation kaputt gemacht werden kann. Dabei hätten die Leute ja nur eines der wunderbaren Bücher aus dem gleichnamigen Verlag zur Hand nehmen können. Diogenes.

Zum Beispiel Urs Widmers herrliche Erzählung "Der blaue Siphon". Dort sind die Spalten nur 88 mm breit, jede zählt nur 48 Anschläge und der Durchschuss erst noch 5mm. Der Schriftgrad hat angenehm lesbare 13 Punkte, etwa. Die nächste Zeile ist auf Anhieb treffsicher. (Die Anzahl Anschläge pro Lesefläche ist um einen Drittel kleiner als im doppelseitigen Zeitungs-Wälzer.)

Die ganze Misere entliess mich aber nicht nur enttäuscht,  sondern auch grüblerisch. Bis ich auf die Schlusszeile des Roman-Kapitels stiess: "Online nachlesen: www.20min.ch/dertrick". Aha! Das ist halt ein deftiger, crossmedialer Crossmarketing-Trick: Weil man den Text im Print nicht lesen kann, verführt man die Leser in die Online-Welt von Tamedia, womöglich mit lesbarer Typografie.

Und erwischt haben mich die Leute sowieso: Ich habe wieder mal ein Buch von Diogenes gelesen und werde wohl bald wieder eines von Martin Suter kaufen. Und mache mit dieser Kolumne Gratis-Werbung für die Kerle.

Aber vielleicht wollte man ja nur elegant mitteilen, dass Tamedia Diogenes übernommen hat. Wir warten auf ein Dementi. Gut lesbar, bitte.