Angebot und Nachfrage - die Grundlagen der Marktwirtschaft werden heute, etwas übertrieben ausgedrückt, schon in der Primarschule unterrichtet. Später in der Mittel- und Hochschule kommen dann noch Adam, David, Carlo, Friedrich und eventuell Wladimir hinzu. Schliesslich gilt es, mit Smith, Ricardo, Marx, Engels und eventuell Lenin die kapitalistischen Grundkenntnisse zu vertiefen. Die mittlerweile  weltberühmte „unsichtbare Hand“ waltet und schaltet heute sowohl in der kapitalistischen Marktwirtschaft europäisch-amerikanischer Prägung als auch in der sozialistischen Marktwirtschaft chinesischer Prägung. Es ist ein und dasselbe.

Wie wir alle wissen und am eigenen Leibe erfahren, spielen Angebot und Nachfrage, falls nicht staatlich oder kartellmässig manipuliert, in jedem Bereich der Wirtschaft. So auch im Sport. Längst sind die Zeiten vergangen, als die sportlichen Gentlemen des Vereinigten Königreichs im 19. Jahrhundert im Geiste der Fairness und der Sportsmanship Sport um des Sportes Willen betrieben haben. Mitmachen ist heute nicht mehr wichtiger als siegen. Im Zeichen der kommerzialisierten Leibesübungen gilt nur noch der Sieg oder für die Schweiz allenfalls das „Podest“.

Im Sport freilich spielt die „unsichtbare Hand“ oft nicht im Sinne und Geist von Adam. „Die Hand Gottes“ von Maradona ist dabei noch das harmloseste Beispiel. Die Rede ist hier vielmehr von Sportverbänden. Die „unsichtbare Hand“ zum Beispiel von Fifa-Präsident Joseph „Sepp“ Blatter kommt mir dabei in den Sinn. Auch die „unsichtbare Hand“ beziehungsweise „Faust“ von Sion-Präsident Christian Constantin oder die „unsichtbare Spritze“ von Lance Armstrong wären in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Ganz zu schweigen von den „unsichtbaren Füssen“ gekaufter Spieler und den „unsichtbaren doch unüberhörbaren Pfeifen“ bestochener Schieds-, Linien- und Punkterichtern.

Und jetzt das. In China ist Angebot und Nachfrage bei den Federbällen aus dem Lot geraten. Die Lage ist ernst. Die Lieblingssportart vieler Asiaten und Asiatinnen ist in höchster Gefahr. Federproduzenten in China schlagen Alarm. Wegen der Vogelgrippe H7N9 werden Gänse- und Entenfedern knapp. Weil Hunderttausende von Gänsen und Enten gekeult werden mussten, sehen sich die Produzenten von Federbällen in einem Engpass. Die Preise explodieren.

Natürlich gibt es auch synthetisch hergestellte Federbälle. Doch wenn es um Federball oder gar um den ernsthaften Sport Badminton geht, kennen Chinesinnen und Chinesen kein Pardon. Die rund 90 Millionen, die im Reich der Mitte Federball spielen, bevorzugen denn auch das Echte, d.h. Bälle aus Gänse- oder Entenfedern. Die Profis gehen in ihrem Qualitätsbewusstsein noch einen Schritt weiter. Sie bevorzugen der Flugeigenschaften wegen Gänsefedern. Doch diese sind noch teuerer als Entenfedern.

Die Naturfederbälle werden von Hand gefertigt und bestehen aus einem Kork-Kopf und 16 Gänse- oder Entenfedern. Da Naturfedern leicht brechen, ist der Ball-Verschleiss sehr hoch. Fast zwei Milliarden Federbälle werden pro Jahr verkauft. Der Sport kann also doch recht kostspielig werden. Amateure, Freizeit-Federballspieler und Kampfsportler der unteren Badminton-Ligen spielen deshalb oft mit synthetischen, meist aus Nylon hergestellten Bällen. Die wirklichen Profis dagegen würden nicht im Traum ein synthetisches Bällchen in die Hand nehmen, es sei den für lukrative Werbezwecke.

Angebot und Nachfrage ist logischerweise auch der Schlüssel bei Ping-Pong, Badminton und Tennis. Dass Ping-Pong-Profis viel, viel weniger verdienen als Badminton-Profis und Badminton-Profis  viel weniger als Tennis-Profis ist nur den unsichtbaren Händen des Sport-Marketings und der Fernsehrechtevermarkter zuzuschreiben. Wem denn sonst?. Es sei denn, unser aller Roger würde zum Ende seiner Karriere seinen Gegnern anstatt Filzbälle plötzlich Shuttlecocks, also Federerbälle, um die Ohren dreschen. So würden Angebot und Nachfrage endlich – um mit Carlo Marx zu sprechen – vom Kopf auf die Füsse gestellt.