"Negativzinsen als Gefahr für Sparer und Altersvorsorge", schreibt die NZZ und moniert, dass die Schweizerische Nationalbank mit ihren Negativzinsen die "Ersparnisse der Bürger und damit deren Altersvorsorge" gefährde. Zudem würden die tiefen Zinsen die Anleger zu unnötigen Investitionen verleiten.  Die eigentlichen Schuldigen seien jedoch internationale Notenbanken, die mit ihrer "Geldschwemme" die Negativzinsen letztlich erzwungen hätten.

Das ist dreifach falsch. Erstens sind nicht die Zentralbanken an den tiefen Zinsen schuld, sondern die Sparer. Typischerweise sind das die reichsten 10 Prozent der Haushalte, die gut einen Drittel der Markteinkommen kassieren, aber "nur" etwa die Hälfe davon konsumieren. Mit diesem "Verzicht" drücken sie den Konsum ingesamt, bremsen so die Investitonen (wo nicht konsumiert wird, wird auch nicht investiert) und verursachen so enorme Sparüberschüsse.  Die Zentralbanken versuchen dann, diese irgendwie wieder in die Wirtschaft zurückzupumpen – neuerdings auch mit Negativzinsen. Damit aber machen sie Renten letztlich sicherer. Die Alternative wäre eine Rezession, tiefe Löhn, hohe Arbeitslosigkeit und null Einzahlungen in die Altersvorsorge.

Zweitens: Tiefe Zinsen sollen Investitonen fördern. In der Flaute ist auch eine schlechte Investition immer noch besser als gar keine. Drittens: Deshalb gefährden nicht die Nationalbanken die Ersparnisse der Bürger, sondern die (zu hohen) Ersparnisse gefährden die Bürger.

Ein Schildbürgerstreich

Die Pensionskassen haben keinen Grund zur Klage, sie sind ein Grund zur Klage. Die relativ neue Institution der Altersvorsorge im Kapitaldeckungsverfahren ist nämlich einer der wichtigsten Treiber der Geldschwemme, die die NZZ fälschlicherweise den "Zentralbanken" zuschreibt. Gemäss der Global Pension Assets Study 2015 von Towers Watson liegen allein in den Vorsorgesystemen der 16 wichtigsten Länder Ersparnisse im Marktwert von 36 Billionen US-Dollar.

Volkswirtschaftlich gesehen sind diese 36 Billionen ein Schildbürgerstreich. Volkswirtschaftlich gesehen werden nämlich alle Renten immer aus dem laufenden Bruttosozialprodukt finanziert. Politisch gesehen sind Rentensysteme immer Verträge in denen die Generationen vereinbaren, wie sie das BIP unter sich aufteilen wollen. In einem Umlageverfahren à la AHV kann man das relativ direkt und bedarfsgerecht steuern.

Mit dem Kapitaldeckungsverfahren baut man in diesen Vertrag unnötigerweise einen Zufallsgenerator ein bzw. ein Spielkasino. Die Generationen schliessen miteinader Wetten ab. Letztlich wird zwar immer noch das BIP verteilt, aber der Verteilungsschlüssel hängt nur noch von einem kleinen Teil des BIP ab. Etwa von den Unternehmensgewinnen oder von den Zinseinnahmen. Das geht gut, solange alles normal bzw. wie geplant läuft. Geplant war ein Zins von 4 Prozent bei 3 Prozent Inflation und 1 Prozent Wachstum des Reallohns. Jetzt, bei 0 Prozent Zins fällt das Konstrukt auseinander und viele Pensionskassen gehen Pleite.

Die Rentenlotterie

Wie die NZZ schreibt, sind aber auch andere Entwicklungen denkbar. Wenn die Anleger auf Obligationen verzichten und stattdessen heftig in Immobilien investieren oder sich gegenseitig die Aktien abkaufen, steigen die Kurse und die Pensionskassen sind wieder liquide. Dafür werden ein paar Mieter ärmer. Beim nächsten Börsen- oder Immobilien-Crash müssen dann die Renten wieder gesenkt werden. Die Rente wird zur Lotterie. Wer zur richtigen Zeit pensioniert wird, gewinnt. Ist das der Sinn der Sache?

Klar, der Journalismus ist an die Aktualität gebunden und lebt von Personen. Mario Draghi hat die Geldschwemme verursacht und Thomas Jordan die Negativzinsen eingeführt. Also sind sie die Schurken im Stück oder der letzte Zwick an der Geisel. Doch das eigentliche Übel liegt anderswo. Darüber aber liest man in den Medien nichts.