Als ich im Dezember 2012 in dieser Kolumne auf die ökonomischen Vorteile der Kryptowährung Bitcoin hingewiesen hatte, war ein Bitcoin noch rund 12 Franken wert. Mittlerweile liegt der Kurs weit über zweitausend Franken. In der Zwischenzeit hat sich also einiges getan. So wurden beispielsweise wichtige regulatorische Fragen geklärt. Zudem hat sich die weltweite Akzeptanz deutlich verbessert. In der Schweiz kann man sogar seit Ende letzten Jahres an über eintausend Billettautomaten der SBB Bitcoins erwerben.

Am wichtigsten für die rasante Entwicklung dürfte aber die Tatsache gewesen sein, dass sich die zugrundeliegende Plattform, die sogenannte Blockchain-Technologie als relativ sicher und widerstandsfähig erwiesen hat. Zwar droht die Plattform immer wieder an technische Grenzen zu stossen. Bislang konnten aber alle Probleme durch das Bitcoin-Netzwerk konsensorientiert gelöst werden.

Da Kryptowährungen wie Bitcoin nur eine von mehreren Anwendungen der Blockchain-Technologie sind, möchte ich Ihnen heute das Zukunftspotenzial dieser Technologie aufzeigen. Eine Blockchain ist eine verteilte Datenbasis. Jeder Transaktionspartner einer Blockchain hat Zugang zur gesamten Datenbasis und seiner vollständigen Geschichte. Es gibt keine Zentralinstanz, die den Datenzugang kontrolliert oder ein Verifizierungsmonopol besitzt.

Ohne Zentralinstanz

Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den vorherrschenden Systemen, die auf einer Zentralinstanz mit Verifizierungsmonopol aufbauen. Hierzu ein kurzes Beispiel: An Computerbörsen können Aktien heute in Sekundenbruchteilen gehandelt werden. Der tatsächliche Eigentumsübertrag dauert hingegen Tage, weil die betreffenden Transaktionspartner keinen Zugang zum Aktienbuch haben. Vielmehr erfolgt die Verifizierung des Eigentümerwechsels durch eine oder mehrere Zentralinstanzen, die ein Verifizierungsmonopol besitzen.

Bei der Blockchain-Technologie für Bitcoins gibt es keine Zentralinstanz, die das Register aktualisiert und verifiziert. Das Register existiert mehrfach in dezentralen Datenbanken. Sobald eine Änderung in einer Version von den Beteiligten eingegeben und dezentral verifiziert wurde, werden alle anderen dezentralen Kopien des Registers simultan angepasst.

Sobald eine Transaktion eingetragen und dezentral verifiziert wurde, kann sie nicht mehr rückgängig gemacht werden. Sie ist irreversibel. Daher kommt auch der Name Blockchain oder Blockkette. Jede Transaktion wird durch Hinzufügen eines neuen Blocks an alle bisherigen Blöcke bestätigt. Die Blockkette gibt somit die gesamte Reihenfolge aller bisherigen Transaktionen wieder.

Verlässlich und unbestechlich

Bei Bitcoin erfüllt die Blockchain die Funktion eines Registers. In diesem Register ist eindeutig und irreversibel vermerkt, wer bzw. genauer gesagt, welches Pseudonym wann welche Bitcoin-Transaktionen ausgeführt hat und welchem Pseudonym zum aktuellen Zeitpunkt welche Bitcoins unwiderruflich gehören. Da dieses Register nicht von einer Zentralinstanz geführt wird, ist es absolut verlässlich und unbestechlich.

Diese Registerfunktion der Blockchain kann man nun unabhängig von Bitcoin zur Registrierung anderer Vorgänge benutzen. Beispielsweise könnte man anstatt Bitcoin-Transaktionen andere Finanztransaktionen dezentral, kostengünstig, verlässlich und irreversibel registrieren. Die Blockchain könnte aber auch die Funktion eines Grundbuchamtes erfüllen. Prinzipiell lassen sich unter dem Schlagwort "Smart Property" mit der Registerfunktion der Blockchain alle denkbaren Eigentumsrechte übertragen und verifizieren. So könnte die Blockchain etwa als Register für Wertschriften, Schmuck, Kunstwerke oder Ausweisdokumente genutzt werden.

Intelligente Verträge

Die zweite Generation von Blockchains ermöglicht es darüber hinaus, Softwareprogramme in die Blockchain zu integrieren. Hierdurch können sogenannte Smart Contracts programmiert werden. Unter so einem intelligenten Vertrag versteht man ein Computerprotokoll, das rechtlich relevante Aktivitäten in Abhängigkeit von digitalisierten Wenn-Dann-Bedingungen steuert. Ein einfaches Beispiel für einen Smart Contract ist der Geldautomat. Wenn der Kunde seine Bankkarte eingibt und wenn die eingegebene PIN zur Karte passt und wenn sein Konto nicht gesperrt ist, kann der Kunde Geld abheben. Ein etwas komplizierteres Beispiel ist eine Blackbox-Versicherung. Hierbei handelt es sich um eine Fahrzeugversicherung, deren Prämienhöhe vom Fahrstil abhängt. Hierzu wird eine in Analogie zum Flugverkehr als Blackbox bezeichnete Telematikbox in das Auto eingebaut. Diese Telematikbox zeichnet das versicherungsrelevante Fahrverhalten, wie z.B. die Beschleunigung, Geschwindigkeit, Abstand, Brems- und Vollbremsvorgänge usw. auf und ermittelt hieraus nach dem Zahle-wie-Du-fährst-Prinzip die Prämienhöhe.

Mit Hilfe der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie eröffnet sich hier ein weites Anwendungsfeld für intelligente Verträge. Beispielsweise könnte man Service-Level-Agreements, Finanzinstrumente, medizinische Therapien, Logistikprozesse oder ganze Supply Chains mit Hilfe von Smart Contracts steuern. Hinter den Schlagwörtern Industrie 4.0 und Internet der Dinge verbirgt sich eine Vielzahl weiterer interessanter Anwendungsmöglichkeiten.