Seit Jahren schreibe ich jedem Kollegen und jeder Kollegin, die im Zusammenhang mit SRF und SRG den Ausdruck "Staatsfernsehen" oder "Staatsrundfunk" verwendet, ein kurzes Email ins Stammbuch: "Liebe Kollegin, lieber Kollege, Staatsfernsehen gibt es zum Beispiel in Nordkorea, China, Vietnam, Laos, Usbekistan, Turkmenistan, Kuba, Zimbabwe oder Kasachstan. Die SRG dagegen ist eine öffentlich rechtliche Anstalt in einem demokratisch verfassten Land. Mit kollegialen Grüssen, PA".

Natürlich weiss ich, dass SRF-"Staatsfernsehen" ein innenpolitischer Kampfbegriff ist. So wie einst mein verehrter Geschichtsprofessor Walther Hofer (SVP) schon vor 40 Jahren wider besseres Wissen stets behauptet hat, alle SRG-Journalisten seien "links". Meine damaligen Kollegen Werner Vetterli und Maximilian, beide SVP, lassen grüssen. Was allerdings der Begriff "Staatsfernsehen" in solchen Medien zu tun hat, die immer betonen,  "Qualitätsjournalismus" zu betreiben, übersteigt meine Vorstellungskraft.

Glanz & Gloria für Kim Junior

Was Staatsfernsehen und Service Public leisten können, mag beispielhaft Nordkorea zeigen. Der junge Kim Jong-un - Fünf-Stern-General, Sonne des Ostens und Gebieter über 22 Millionen Nordkoreanerinnen und Nordkoreaner - ist, Buddha sei Dank, in jungen Jahren in Bern zur Schule gegangen. Noch heute spricht er - tatsächlich - Berndeutsch mit nordkoreanischem Akzent. Jedenfalls muss er damals das Schweizer Staatsfernsehen genau studiert haben.

Der Service Public des nordkoreanischen Radios und Fernsehens ist beispielhaft. Das Programm fängt mit dem jungen Kim an und hört mit dem jungen Kim auf. Viel Kim Jong-un, also Politik, und ein wenig Staatsunterhaltung. Kein Trash-Fernsehen, keine Reality Shows. Und natürlich kein Privatrundfunk, der solche Abfallformate senden könnte. Kurz, Staatsfernsehen vom Besten. Glanz & Gloria sozusagen für Kim Jong-uns Service Public. Und man höre und staune, keine Zwangsgebühren. Alles gratis und franko. Auch die Einschaltquoten sind traumhaft, davon können Roger de Weck und Ruedi Matter nur träumen: nicht selten nämlich weit über 100 Prozent. So ist das in Nordkorea. Und so ist das bei einem echten Staatsfernsehen. Oder wäre vielleicht der Ausdruck Zwangsfernsehen adäquater?

Einmischung in innere Angelegenheiten

Und jetzt also die Abstimmung über das Radio- und Fernsehgesetz. Das Abstimmungsmaterial erreicht mich in Peking regelmässig erst nach der Abstimmung. Das hat nichts mit der Schweizer Staatspost und schon gar nicht mit den Post-Zwangsgebühren, will sagen Postgebühren zu tun, sondern mit der etwas behäbigen chinesischen Staatspost. Weil also noch nicht elektronisch abgestimmt werden kann und ergo meine Stimme nicht zählt, erhebe ich für einmal kolumnistisch meine Stimme und mische mich in die inneren Angelegenheiten der Schweiz ein.

Mein Eindruck aus der Ferne bei der täglichen Durchsicht des Schweizer Bannwalds der Demokratie (für jüngere Leser: die Zeitungen), der Schweizer Internetportale und der einschlägigen Beiträge auf Twitter, Facebook oder Whatsapp sowie dem Lauschen des rauschenden digitalen Stammtischgezwitschers und Geschwätzes: Das Programm von SRF auf sämtlichen Radio- und Fernsehkanälen ist grottenschlecht. Und dafür - Hergott nochmal -  bezahlen wir auch noch Gebühren, äxgüsi, Zwangsgebühren. Niemand, muss ich den Kommentaren des Volkes entnehmen, gar niemand hört oder guckt mehr in der Schweiz freiwillig SRF.

«Glaubwürdig»

Die Einwände sind natürlich gut untermauert mit den bösen Beispielen, vom "Samschtig-Jass" über "The Voice of Switzerland" bis hin zu "Bi de Lüt" oder den unausgewogenen, extrem linken Informationssendungen. Auch Sport schauen sich, so das Geschwätz an den Social-Media-Stammtischen, die meisten auf ARD, ZDF oder ORF an, weil die Schweizer Live-Reporter a) nichts von Sport verstehen und b) sprachlich weder der Akkusativ kennen noch dem Genetiv mächtig sind. Schlechte Zensuren also meist von Leuten, die sprachlich selbstverständlich auf der Höhe sind und praktisch niemals SRF-Radio oder -Fernsehen verwenden…

Nur seltsam, dass unabhängige Umfragen zu einem ganz andern Resultat kommen. Nach einer in der NZZ zitierten Studie der Uni Zürich (IPMZ) sind sage und schreibe 68 Prozent der Befragten "eher oder sehr zufrieden" mit dem SRF-Fernsehen, und gar 78% mit SRF-Radio. Auch "glaubwürdig" ist für 80 Prozent das Fernsehen und 81 Prozent das Radio. Mit der "Ausgewogenheit" sind dann schon weniger Konsumenten zufrieden, aber immer noch 58 Prozent mit dem Fernsehen und 64 mit dem Radio. Die Unterhaltung schneidet am schlechtesten ab. "Eher oder sehr zufrieden" sind da nur noch 46 Prozent mit dem Fernsehen, dafür 67 Prozent mit dem Radio.

Freche Lügen

Der vom Gewerbeverband angeführte Abstimmungskampf ist eine üble Schlammschlacht. Unwahrheiten, Halbwahrheiten und gar freche Lügen (die Zwangsgebühren werden bald auf 1000 Franken steigen) werden verbreitet. Die obersten SRG- und SRF-Kader werden als hinterhältige Abzocker madig gemacht. Die SRG sei ein mit "Zwangsgebühren" gefütterter Moloch. Dass FDP-Politiker und Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler so etwas ohne grössere Proteste zunächst in seiner eigenen Partei, danach aber auch in seinem Verband und letztlich in einer breiten demokratischen Öffentlichkeit tun kann, spricht nicht für die Schweizer Demokratie. Biglers unflätiges Verhalten ist nicht eine Stilfrage sondern eine Frage des korrekten demokratischen Verhaltens.

Neben dem Problem Markwalder müsste FDP-Parteipräsident Philipp Müller nun auch ein Problem Bigler haben. Hat er aber nicht. Denn Wischiwaschi-Müller schweigt, obwohl er ja sonst nicht bekannt ist für seine Zurückhaltung, hat er doch neulich einen nicht unbekannten Bankdirektor am Zürcher Paradeplatz hochnäsig abgekanzelt mit den Worten: "Ein Arschloch bleibt ein Arschloch."  Das A-Wort wäre wohl besser bei Bigler angebracht. Wenn wir keine Bananen-Demokratie sind, dann verdient FDP-Pinocchio Bigler, aber auch Müller und warum nicht Markwalder eine rote Karte. Der Souverän, so ist zu hoffen, wird im Herbst den Nationalrat in spe Bigler und darüber hinaus mit dem Service Poubelle des Platzes verweisen.

Steinreich

Ich hätte natürlich Ja gestimmt. Aber auch ein Nein kann ich verstehen. Dafür gibt es Argumente, mit denen es lohnt, sich auseinanderzusetzen. Auch hätte ich mir eine zeitigere Diskussion um den Service Public der SRG gewünscht. Aber das Niveau Bigler, Gewerbeverband, FDP, Volkes Stimme in den Social Media - das ist übelste Bananen-Demokratie.

Interessenlage des Autors: Peter Achten hat jahrzehntelang für Radio und Fernsehen gearbeitet und dabi eine ruhige Kugel geschoben. Es ist dank Zwangsgebühren steinreich geworden.