Die Frist für eine Einigung zwischen Teheran und seinen Verhandlungspartnern Deutschland, Grossbritannien und Frankreich über ein neues Abkommen lief in der Nacht zum Sonntag um 2:01 Uhr mitteleuropäischer Zeit ab. Die nun wieder geltenden Strafmassnahmen umfassen unter anderem ein allgemeines Waffenembargo, ein Verbot weiterer Urananreicherungen sowie zahlreiche Sanktionen gegen Einzelpersonen und Organisationen zum Einfrieren von Geldern. Der Iran hatte für den Fall der Wiedereinsetzung der Massnahmen eine harsche Reaktion angekündigt.

Auch Deutschland hatte Sanktionen vorangetrieben

Deutschland, Frankreich und Grossbritannien hatten Ende August den sogenannten Snapback-Mechanismus aktiviert. Er diente dazu, den Iran bei Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen im Rahmen des Atomabkommens von 2015 wieder mit vorherigen Sanktionen belegen zu können. Die Europäer sind neben den USA, Russland und China Mitunterzeichner des Deals, der als Meilenstein der Diplomatie gilt.

Der Vertrag sah eine Begrenzung der iranischen Urananreicherung auf maximal 3,67 Prozent sowie eine strenge Überwachung vor, damit Teheran keine Atombombe erlangen konnte. Im Gegenzug sollten Sanktionen aufgehoben werden.

US-Präsident Donald Trump war der Vertrag, der unter seinem von ihm verachteten Vorgänger Barack Obama ausgehandelt worden war, seit jeher ein Dorn im Auge. 2018 kündigte Trump die Vereinbarung einseitig auf. Zugleich liess er neue und härtere Sanktionen gegen den Iran verhängen.

Erhoffte Lockerungen und ein wirtschaftlicher Aufschwung blieben indes aus. Seitdem hatte Teheran seine Pflichten gemäss dem Abkommen zusehends missachtet. Seit Jahren bereits wird es faktisch nicht mehr umgesetzt. Teheran hat die Wiedereinführung der Sanktionen daher als illegitim kritisiert. Verhandlungen scheiterten.

Aussenminister Wadephul: Neues diplomatisches Kapitel aufschlagen

Bundesaussenminister Johann Wadephul rief den Iran zu neuen Verhandlungen auf. «Mit dem Snapback endet ein Kapitel unserer diplomatischen Bemühungen», hatte der CDU-Politiker wenige Stunden vor dem Fristende in New York gesagt. Er fügte hinzu: «Der Iran hat die Möglichkeit, ein neues Kapitel von Diplomatie aufzuschlagen. Es ist an ihm, den Weg hin zu neuen Gesprächen zu beschreiten. Wir sind dafür bereit.»

Wadephul sagte weiter, die Formel der Wiener Atomvereinbarung sei einfach gewesen: Sanktionsaufhebung gegen Beschränkung des Atomprogramms. Der Iran habe über Jahre hinweg seine Verpflichtungen missachtet. «Es gibt keine plausible Begründung, Uran auf 60 Prozent anzureichern. Iran ist der einzige nicht-atomar bewaffnete Staat der Welt, der so hoch angereichertes Uran besitzt.»

Laut einem Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA verfügte der Iran vor Beginn des israelischen Kriegs gegen das Land im Juni über mehr als 400 Kilogramm Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent. Für den Bau von Atomwaffen wäre eine weitere Anreicherung auf einen Reinheitsgrad von mehr als 90 Prozent erforderlich. Wie viel von dem Material und den Kapazitäten des Irans nach den schweren Angriffen der USA und Israels im Juni noch übrig ist, bleibt derweil umstritten.

Reaktion des Irans schwer abschätzbar

Wie sich die bevorstehende Einsetzung der früheren Sanktionen auswirken wird, ist schwer abzuschätzen. Die Islamische Republik könnte auf Konfrontationskurs gehen und ein Abkommen zur Wiederaufnahme von IAEA-Inspektionen aufkündigen.

Weitere mögliche Eskalationsschritte wären ein Ausstieg aus dem Atomwaffensperrvertrag oder sogar die Ankündigung, eine Atombombe zu bauen. Israel, die USA und europäische Länder werfen dem Land vor, nach Kernwaffen zu streben. Die iranische Führung weist dies zurück und verweist auch auf ein religiöses Rechtsgutachten von Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei, demzufolge Massenvernichtungswaffen verboten sind.

Sanktionen könnten Wirtschaftskrise im Iran verstärken

Die Sanktionen dürften für den Iran nach Einschätzung von Experten begrenzte wirtschaftlichen Folgen haben. Der Staat mit etwa 90 Millionen Einwohnern ist unter anderem bereits aufgrund von US-Strafmassnahmen ökonomisch stark angeschlagen. Zudem ist das Vorgehen zwar ein weiteres Signal an Unternehmen weltweit, dass eine Zusammenarbeit mit dem Iran heikel werden kann. Viele internationale Unternehmen meiden den Iran jedoch bereits seit langem aus Sorge vor US-Strafmassnahmen.

Bis jetzt war der Iran schon mit harten Strafmassnahmen belegt, die vor allem auf den Energiesektor des öl- und gasreichen Landes zielen. Zudem ist das Land weitgehend vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen.

(AWP)