Blocher sang ein Loblied auf die Bundesverfassung. Sie sei "der solide und konstante Wert der schweizerischen Eidgenossenschaft". Dank der besonderen Staatsform gehe es der Schweiz weniger schlecht als anderen Ländern, sagte der ehemalige SVP-Bundesrat am Freitagabend vor den rund 1200 Gästen.

Eine Entmachtung der Bürger sei im Gang. Die SVP mache aber nicht dabei mit, diesen Sonderfall zu Grabe zu tragen. "Wir müssen Widerstand leisten, rief er in den Saal und erntete dafür tosenden Applaus.

Der Chefstratege der SVP bezeichnete es als "beunruhigend", dass die Bundesräte sich vor allem mit ausländische Würdeträgern treffen und sich international dem Leerlauf hingeben würden, statt sich um das eigene Volk zu kümmern.

Es war nur einer der Seitenhiebe, die Blocher auf Bundespräsidentin Doris Leuthard (CVP) austeilte. Sie war traditionsgemäss zum Parteitag der Zürcher SVP eingeladen worden, hatte aber die Einladung - nicht zum ersten Mal - ausgeschlagen. Leuthard weilte am Freitag am Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos.

Noch nie sei die Verfassung so offen und dreist gebrochen worden wie 2016. "Hinterhältig und vorsätzlich verzichtete das Parlament auf eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung." Dass sich alle Regierungsgewalten über den Volkswillen hinwegsetzten, käme der Abschaffung des Rechtsstaates gleich, sagte Blocher.

Die Elite sei daran, den Bürgern ihre Gesetzgebungskompetenz zu entreissen. Er warnte vor einem institutionellen Abkommen und einer Anbindung der Schweiz an die EU. "Wir müssen den Kampf dagegen führen - und wir werden ihn gewinnen. "Dieser Vertrag muss dem obligatorischen Referendum unterstellt werden", forderte Blocher.

Als Hauptproblem bezeichnete Blocher die Personenfreizügigkeit. "Die muss für immer verboten werden." Die Freiheiten der Schweiz müssten gewahrt bleiben. "Und sonst müssen notfalls die Wahlen 2019 Ordnung schaffen." Dann müssten die Totengräber der Schweiz abgewählt und durch Volksvertreter ersetzt werden.

SVP-Bundesrat Ueli Maurer nahm den Faden auf und sprach ebenfalls - auch wenn die Reformation im Zentrum seiner Rede stand - über die Elite. Er zog Parallelen zwischen früher und heute, der Zeit als die Oberschicht die Kritiker aus dem Volk verhöhnte, diese "als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden".

"Die Elite lebte in einer anderen Welt und sprach am Volk vorbei", sagte Maurer. Das Volk sei einfach nur da gewesen, um Steuern zu bezahlen. Auch heute sei das so. "Man will nicht sehen, was den Leuten Sorgen macht." Das sei Realitätsverweigerung. Auf Dauer könne man das Volk aber nicht ignorieren, warnte der Bundesrat.

Er wies jedoch darauf hin, dass es in der Schweiz mit der direkten Demokratie eine Art "Frühwarnsystem" gebe. "Doch diese wird immer mehr als Belästigung empfunden", sagte Maurer. Man nehme die Kritiker nicht ernst und bezeichne sie als Ketzer, die das System störten.

Der Finanzminister war für die Bundespräsidentin in die Lücke gesprungen. Es war nicht das erste Mal, dass jemand die Einladung abgelehnt hatte. Im letzten Jahr war Bundespräsident Johann Schneider-Amman (FDP) von den SVP-Anhängern ausgebuht worden. Er hatte in seiner Rede die Durchsetzungsinitiative kritisiert.

Vor dem Treffen am Freitagabend hatten rund 15 Mitglieder der Juso vor dem Albisgüetli gegen die Ausländerpolitik der SVP demonstrieren wollen. Sie wurden durch ein etwa doppelt so grosses Polizeiaufgebot aber daran gehindert. In einer Mitteilung kritisierte die Jungpartei diese "Verletzung der freien Meinungsäusserung" scharf.

(SDA)