FRANKFURT (awp international) - Die Ölpreise sind am Montag nach der Ankündigung von Förderkürzungen seitens des Ölkartells Opec und anderer wichtiger Förderländer auf den höchsten Stand seit Sommer 2015 gestiegen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete bis zu 57,89 US-Dollar, während für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) bis zu 54,51 Dollar gezahlt wurden. Die Preissteigerungen gegenüber Freitag betrugen damit rund drei Dollar oder mehr als fünf Prozent.

Am Vormittag lag der Brent-Preis bei 57,05 Dollar, WTI kostete 54,17 Dollar. Abseits des Ölmarkts legten Währungen von Ländern, die stark in der Rohölförderung engagiert sind, merklich zu. Am stärksten profitierte der russische Rubel, gefolgt von der norwegischen Krone und dem kanadischen Dollar. An den internationalen Anleihemärkten erhöhten sich die Effektivzinsen deutlich, weil Anleger wegen des Ölpreisanstiegs einen höheren Inflationsausgleich forderten.

NICHT NUR OPEC KÜRZT FÖRDERUNG

Auslöser dieser breiten Marktreaktion war ein Beschluss vom Wochenende zwischen 13 Ländern der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) und 12 anderen grossen Förderstaaten. In einem historischen Schulterschluss kündigten die 25 Länder gemeinsame Förderkürzungen an, um die Preise für Rohöl nach oben zu treiben. Die Kooperation knüpft an eine Förderkürzung der Opec von Ende November an. Das Kartell will seine Tagesförderung um 1,2 Millionen Barrel auf 32,5 Milliarden Fass reduzieren. Die Kürzung soll ab Anfang 2017 für ein halbes Jahr lang gelten.

Am Wochenende einigten sich darüber hinaus die Opec und ein Dutzend anderer Länder, die nicht dem Ölkartell angehören. Die Nicht-Opec-Länder wollen ihre Ölförderung um insgesamt 558 000 Barrel je Tag drosseln. Russland als einer der grössten Produzenten der Welt will allein 300 000 Barrel weniger produzieren. Allerdings soll die Drosselung nicht gleich zu Jahresbeginn 2017 verwirklicht werden, sondern allmählich beginnen. Erst im April oder Mai soll dann der volle Umfang erreicht werden, sagte der russische Energieminister Alexander Nowak. Zusammengenommen soll das weltweite Ölangebot um etwa zwei Prozent reduziert werden.

GEMISCHTE REAKTIONEN

Die Reaktionen von Fachleuten fielen unterschiedlich aus. Einerseits wurde die historische Bedeutung des Beschlusses hervorgehoben. Eine solch breite Vereinbarung zwischen derart vielen Opec- und Nicht-Opec-Staaten hat es bisher noch nicht gegeben. Der jüngste Zusammenschluss datiert auf das Jahr 2001, als es eine ähnliche Vereinbarung zwischen der Opec und Russland gab. Einige Beobachter sprachen deshalb von einem Wendepunkt, der helfen könnte, das aktuell viel zu hohe Angebot an Rohöl zurückzuführen.

Andere Fachleute bewerteten die Vereinbarung dagegen wesentlich skeptischer. "Es ist höchst fraglich, ob die vereinbarten Produktionskürzungen eingehalten werden" sagte Eugen Weinberg, Leiter der Rohstoffanalyse bei der Commerzbank, gegenüber der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. "Die Erfahrung lehrt, dass derartige Vereinbarungen letztlich nur Lippenbekenntnisse sind, die überwiegend nicht eingehalten werden."

WIRD VEREINBARUNG EINGEHALTEN?

Auch mit Blick auf die Marktreaktion äusserte sich Weinberg kritisch: "Der Ölpreisanstieg in Reaktion auf die Vereinbarung ist vor allem spekulativ getrieben." Viele Anleger, die ohnehin auf steigende Ölpreise setzten, hätten den Beschluss vom Wochenende zum Anlass genommen, die Preise weiter nach oben zu treiben. "Grundsätzlich gilt: Man kann die Märkte vielleicht eine Zeit lang täuschen, aber nicht ewig", warnte der Rohstoffexperte.

Weinberg erwartet, dass spätestens im Frühjahr, wenn jahreszeitlich bedingte Kürzungen ausliefen, sichtbar werde, dass die Kürzungsverpflichtungen nicht eingehalten würden. "Warum auch, schliesslich drohen keine Sanktionen bei Nichteinhaltung." Deshalb könne jedes Land mit dem Finger auf andere zeigen und so begründen, warum man selbst die Kürzungen nicht einhalte, sagte Weinberg.

HOHE BEDEUTUNG DER US-PRODUKTION

Darüber hinaus verwiesen einige Beobachter auf die hohe Bedeutung der amerikanischen Ölförderung. Die USA haben ihre Produktion seit Beginn des Jahrzehnts stark ausgebaut. Dieser Prozess ist jedoch wegen des Ölpreisverfalls seit Mitte 2014 ins Stocken geraten. Sollten die Preise jetzt wieder anziehen, würde auch die amerikanische Ölförderung wieder rentabler. Die Aussicht auf eine höhere US-Ölförderung spreche aber gegen nachhaltig steigende Ölpreise, sagte Weinberg. Ähnlich äusserten sich Analysten der US-Investmentbank Goldman Sachs./bgf/jkr/fbr

(AWP)