Am Finanzmarkt kamen die Nachrichten zunächst gut an. Im vorbörslichen Handel auf der Plattform Tradegate legte die Allianz-Aktie im Vergleich zum Xetra-Schlusskurs vom Vorabend um 2,5 Prozent zu. Allerdings hatte sie in dieser Woche zuvor rund acht Prozent eingebüsst, nachdem der Konzern am Sonntag möglicherweise milliardenschwere Risiken durch Klagen und behördliche Untersuchungen in den USA öffentlich gemacht hatte.

Dagegen fallen die drohenden Belastungen durch die Hochwasserkatastrophe in Europa für den Konzern vergleichsweise gering aus. Die Zerstörungen durch das Tief "Bernd" in Deutschland und mehreren Nachbarländern dürften das operative Ergebnis in diesem Jahr mit 400 Millionen Euro belasten, heisst es in der Präsentation von Finanzchef Giulio Terzariol zu den Quartalszahlen.

Zuvor hatte der Konzern bereits mitgeteilt, dass er allein bei seinen Kunden in Deutschland versicherte Schäden in Höhe von mehr als 500 Millionen Euro erwartet. Allerdings war dabei noch nicht berücksichtigt, dass die Allianz einen Teil ihrer Risiken an Rückversicherer weitergereicht hat.

Das Tiefdruckgebiet "Bernd" mit lang anhaltendem Starkregen hatte in Deutschland und mehreren Nachbarländern im Juli verheerende Zerstörungen hinterlassen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schätzt die versicherten Schäden hierzulande bisher auf 4,5 bis 5,5 Milliarden Euro.

Im zweiten Quartal erzielte die Allianz trotz gestiegener Schäden durch Naturkatastrophen ein operatives Ergebnis von 3,3 Milliarden Euro - rund 29 Prozent mehr als im coronageprägten Vorjahreszeitraum und mehr als von Analysten erwartet.

Während sich die Schaden- und Unfallsparte in etwa wie erwartet erholte, warfen die Lebens- und Krankenversicherung und das Fondsgeschäft mehr ab, als Analysten im Schnitt errechnet hatten. Der Konzernumsatz legte um elf Prozent auf 34,3 Milliarden Euro zu. Der auf die Aktionäre entfallende Quartalsüberschuss wuchs um 46 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro und übertraf damit ebenfalls die Prognosen von Branchenexperten.

Unterdessen sammelte die Fondssparte des Konzerns im zweiten Quartal netto rund 26 Milliarden Euro an frischem Geld von Kunden ein. Davon entfielen 9 Milliarden auf die grössere Fondstochter Pimco und 17 Milliarden auf die kleinere Allianz Global Investors (AGI).

Wegen AGI muss die Allianz allerdings an anderer Stelle mit herben Belastungen rechnen. Denn nach der US-Wertpapieraufsichtsbehörde SEC hat auch das US-Justizministerium eine Untersuchung zu Schadenersatzklagen potenter Investoren gegen AGI eingeleitet. Die Kläger werfen dem AGI coronabedingte Milliardenverluste vor. Zu den Klägern gehören nach US-Medienberichten unter anderem die New Yorker Metro, der Lehrer-Pensionsfonds im Bundesstaat Arkansas und die Gewerkschaft Teamsters.

Die Allianz-Führung schrieb am Sonntag von einem "relevanten Risiko", dass die Angelegenheit "erhebliche Auswirkungen auf künftige Finanzergebnisse der Allianz Gruppe" haben könnte. Allerdings hat der Konzern bislang keine Rückstellung für eventuelle Kosten der Rechtsstreitigkeiten gebildet. Denn es sei derzeit weder möglich, den Ausgang der Untersuchungen sowie der Gerichtsverfahren vorherzusagen, noch deren Zeitpunkt einzuschätzen, hatte der Konzern mitgeteilt.

Trotz der drohenden Belastungen kündigte die Allianz am Donnerstagabend an, für bis zu 750 Millionen Euro eigene Aktien von Anlegern zurückzukaufen. Das Rückkaufprogramm soll noch im August starten und spätestens Ende des Jahres abgeschlossen sein. Der Konzern will die gekauften Aktien anschliessend einziehen. Solche Massnahmen sollen den Aktienkurs üblicherweise nach oben treiben, weil sich die Gewinne des Konzerns anschliessend auf weniger Anteilsscheine verteilen./stw/nas/eas

(AWP)