Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit trat dem Verdacht entgegen, zu Krankmeldungen aufgerufen zu haben, und ermahnte gesunde Kollegen, zur Arbeit zu gehen. Auch der Betriebsrat rief dazu auf.

Nach internen Berechnungen kosteten die Flugausfälle das Unternehmen rund fünf Millionen Euro, wie aus einem internen Schreiben von Vorstandschef Thomas Winkelmann an die Piloten vom Dienstag hervorgeht. Hinzu kommen drei bis vier Millionen Euro Verlust, die ohnehin pro Tag anfallen. "Kommt Eurer Verantwortung für unsere Passagiere und die Arbeitsplätze aller Air Berliner nach und kommt zur Arbeit, damit wir einen unkontrollierten Zusammenbruch des Unternehmens vermeiden können", appellierte Winkelmann.

"Für morgen liegen uns gegenwärtig 149 Krankmeldungen von Kapitänen und First Officers vor", schrieben Winkelmann sowie seine Vorstandskollegen Oliver Iffert und Martina Niemann. Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Ein Sprecher der Fluglinie bestätigte, dass es erneut Flugstreichungen geben werde. Genauere Angaben könnten aber erst am Mittwochmorgen bekanntgegeben werden.

"Das bedeutet, dass uns am Mittwoch ein ähnliches operatives Desaster wie heute droht. Dies wird uns noch näher an den Abgrund bringen", schrieben Winkelmann, Iffert und Niemann. "Wir laufen massiv Gefahr, den Investorenprozess, den wir mit dem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung begonnen haben, nicht mehr zu einem möglichst positiven Ende zu führen." Um Investoren nicht zu verschrecken und möglichst viele Arbeitsplätze zu retten, sei es "entscheidend, den Flugbetrieb kurzfristig zu stabilisieren".

An den Flughäfen bildeten sich lange Schlangen vor den Schaltern, viele Passagiere harrten aus und hofften auf eine Umbuchung. Allein in Berlin-Tegel entfielen 60 Flüge. Um weiteres Chaos zu vermeiden, rief der Flughafenbetreiber Passagiere auf, sich vor der Anreise zum Airport über den Flugstatus zu informieren.

Die erneuten Turbulenzen kommen für Air Berlin reichlich ungelegen, schliesslich drängt die Zeit für einen Verkauf. Massenhafte Ausfälle erwecken bei Interessenten nicht gerade Vertrauen. Bleibe es bei diesem Krankenstand, drohe vermutlich eine vollständige Liquidation der Fluggesellschaft, warnte der Generalbevollmächtigte Frank Kebekus im Intranet des Unternehmens. Kebekus soll die Airline sanieren und verhandelt mit der Lufthansa und weiteren Interessenten über einen Verkauf. An diesem Freitag endet die Bieterfrist, eine Entscheidung soll am 21. September fallen.

Für die Verhandlungen mit Interessenten über eine Übernahme von Teilen des Unternehmens seien die Ausfälle "pures Gift", sagte Kebekus in einer Mitteilung, ebenso für das Ziel, dabei möglichst viele der mehr als 8000 Arbeitsplätze zu erhalten.

Durch die Krankmeldungen fiel nahezu jeder siebte der geplanten 750 Flüge aus. Betroffen war auch die Lufthansa-Tochter Eurowings, die 14 Maschinen samt Personal von Air Berlin geleast hat.

Die rund 200 der insgesamt 1500 Air-Berlin-Piloten hatten sich kurzfristig krank gemeldet, viele nach Unternehmensangaben erst unmittelbar vor dem Flug. Betriebsleiter Iffert betonte, bei den Flugbegleitern gebe es keine Auffälligkeiten. Er stellte die Krankmeldungen in einem internen Schreiben in Zusammenhang mit Einschränkungen auf der Langstrecke.

Am Montag war bekannt geworden, dass ein Leasinggeber zum 25. September zehn Langstreckenmaschinen zurückverlangt, Air Berlin strich daraufhin die Karibik-Flüge. Jedoch schon zu Anfang des Monats hatten die Berliner zahlreiche Langstreckenflüge aus Berlin und Düsseldorf auf die Streichliste gesetzt.

Gewerkschaftsvertreter äusserten daher einen Verdacht: Der Präsident der Vereinigung Cockpit, Ilja Schulz, sagte der "Rheinischen Post" (Dienstag), es bestehe die Sorge, dass die Langstrecke so unattraktiv gemacht werden solle, dass sie noch vor einer Übernahme eingestampft werden könne. Hintergrund könnte Schulz zufolge sein, dass man die gut bezahlten Langstreckenpiloten dann loswerden wolle. "Die Braut wird quasi für die Hochzeit hübsch gemacht. Das ist ein Skandal, den wir uns so nicht bieten lassen."

Die verlustreiche Air Berlin hatte Mitte August Insolvenz angemeldet, nachdem ihre arabische Grossaktionärin Etihad die Zahlungen eingestellt hatte. Die Gewerkschaft Verdi forderte mögliche Investoren auf, auch die Beschäftigten zu übernehmen. "Schluss mit dem Pokern um die besten Blechstücke, dafür schnelles Handeln für eine Sicherung der Arbeitsplätze zu guten Bedingungen", forderte Vorstandsmitglied Christine Behle. "Angst und Wut der Air Berliner eskalieren, weil es hier um Existenzen ganzer Familien geht."/bf/DP/stb

(AWP)