Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle will die Fusion durchsetzen - bei einem Patt im Aufsichtsrat notfalls mit seinem doppelten Stimmrecht als Vorsitzender des Kontrollgremiums. Die Gewerkschaften haben seine Ankündigung als befremdlichen Tabubruch kritisiert - gewöhnlich werden solch weitreichende Entscheidungen in deutschen Aktiengesellschaften nicht gegen die Arbeitnehmerseite getroffen.

Reitzle hat aber die Rückendeckung der Anteilseigner. Mit dem Zusammenschluss würde der grösste Gasekonzern der Welt entstehen, mit einem Vorstandschef in den USA, 27 Milliarden Euro Umsatz, 60 Milliarden Euro Börsenwert und weltweit 80 000 Mitarbeitern.

Möglicherweise kommt Reitzle aber auch der Dresdner Betriebsratschef Frank Sonntag zu Hilfe, indem er sich im Aufsichtsrat der Stimme enthält. Denn Sonntag sitzt in einer Zwickmühle: Linde will den Standort Dresden mit rund 500 Mitarbeitern schliessen, hat aber für den Fall der Fusion eine Standort- und Beschäftigungsgarantie in Deutschland bis 2021 gegeben.

Sonntag hatte früher beklagt, dass Dresden als einziger deutsche Linde-Standort geschlossen werden sollte und die Solidarität der anderen Arbeitnehmervertreter möglicherweise vor dem eigenen Werkstor ende.

Wie lange die Aufsichtsratssitzung am Donnerstag dauert, war am Nachmittag noch offen. Billigt das Kontrollgremium die Fusion, würde jedem Linde-Aktionäre in einigen Wochen ein Umtausch-Angebot für die alten Linde-Aktien in Anteilsscheine des neuen Konzerns vorgelegt. Bei Praxair entscheidet eine ausserordentliche Hauptversammlung über die Fusion. Die Zustimmung der Praxair-Aktionäre gilt als sicher. Letzte Hürde wäre dann die Zustimmung der Kartellbehörden in Europa und den USA./rol/DP/jha

(AWP)