Damit ging Oetker auch auf Konfrontation zu Übergangschef Engelbert Willink, der mehr Zeit für eine Untersuchung forderte. Kreisen zufolge hat das Unternehmen mittlerweile einen Nachfolger für Willink gefunden. Stada stehe kurz vor der Ernennung von Claudio Albrecht zum Vorstandschef, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen. Ein Stada-Sprecher wollte sich auf Anfrage nicht dazu äussern. Albrecht hat reichlich Erfahrung in der Pharmabranche. Bis 2005 führte er den Generikahersteller Ratiopharm. Später leitete er den isländischen Wettbewerber Actavis.

Die Entlastung der früheren Führungsspitze wurde schliesslich aber mit grosser Mehrheit der Anteilseigner auf das Aktionärstreffen 2018 vertagt. Mit einer Entlastung sprechen Aktionäre auf Hauptversammlungen dem Management üblicherweise ihr Vertrauen aus. Juristisch gesehen hat eine verweigerte Entlastung keine Folgen. Der MDax -Konzern Stada ist für Medikamente wie Grippostad und die Sonnenmilch Ladival bekannt.

Oetkers Attacke auf die frühere Konzernspitze war unerwartet gekommen: Ursprünglich hatten Vorstand und Aufsichtsrat eine Entlastung gefordert. Oetker erklärte aber dann, es gebe neue Ermittlungen des Aufsichtsrats wegen Verstössen gegen Rechtsgrundsätze im Asiengeschäft sowie Beraterverträge ohne erkennbare Leistungen für Stada. Die Hinweise hätten die Grundlage für die Zusammenarbeit mit Wiedenfels und Kraft zerstört. Daher seien sie im Juli abgetreten. Mit seinem Vorstoss sende der Aufsichtsrat einstimmig das Signal, "dass wir solche Geschäftspraktiken nicht tolerieren können."

Der langjährige Firmenchef Retzlaff, der 2016 von aktivistischen Investoren aus dem Amt gedrängt worden war, habe ebenso wie Kraft und Wiedenfels Gelegenheit zu Stellungnahmen erhalten. Wiedenfels liess die Anschuldigungen Oetker von seiner Anwältin zurückweisen. Die genannten geschäftlichen Themen seien lange bekannt und böten "nach gründlicher Prüfung keinen Anhaltspunkt für Pflichtverletzungen" durch Wiedenfels. Der plötzliche Schwenk, ihrem Mandanten die Entlastung zu verweigern, sei nicht nachvollziehbar.

Mit den Vorwürfen gegen die früheren Firmenchefs handelt Oetker kurz vor Ende seiner Amtszeit. Er tritt gemeinsam mit vier weiteren Kontrolleuren zum 25. September ab. Die neuen Eigentümer Bain und Cinven wollen eigene Vertreter in den Aufsichtsrat senden. Oetker gilt als Gegner eines Verkaufs und soll mit Wiedenfels über Kreuz gelegen haben.

Aktionärsvertreter kritisierten die Querelen bei dem hessischen Pharmakonzern. Stada sei ein Lehrstück für schlechte Unternehmensführung, sagte Winfried Mathes von der Dekabank. "Wir bekommen von allen Protagonisten eine Daily Soap geliefert, die man mit dem Titel "Alle zusammen - jeder für sich" beschreiben könnte." Auch die am Ende nur hauchdünn geglückte Übernahme sei eine Leistung, für die "alle Beteiligten die "goldene Himbeere" verdient hätten".

Peter Barth vom Anlegerschutzverein DSW kritisierte, Wiedenfels und Kraft seien nach dem ersten gescheiterten Übernahmeversuch von Bain und Cinven "aus dem Amt gedrängt worden". Er bemängelte, dass Willink nur einen Vertrag bis Jahresende hat und somit der dritte Stada-Chef binnen rund eines Jahres ist. Alle Ungereimtheiten müssten "schonungslos aufgeklärt" werden, forderte Barth. "Geld gemacht haben die Hedgefonds, verloren hat die Gesellschaft." Die traditionsreiche Stada habe "ihre über Jahrzehnte aufgebaute Identität verloren".

Die Aktionäre billigten zudem ein neues Vergütungssystem, das der variablen Bezahlung des Stada-Managements mehr Gewicht gibt. Aufsichtsratschef Oetker sowie weitere Kontrolleure wurden mit grosser Mehrheit entlastet./als/tav/DP/edh

(AWP)