An Blumes Eignung zur Führung des Wolfsburger Autokonzerns gibt es zwar keine Zweifel. Aber dass er gleichzeitig Chef von Porsche bleiben soll, halten viele für keine gute Idee. "Gerade letzte Woche noch wurde für den Teilbörsengang damit geworben, dass Porsche dadurch eigenständig wird und mehr Wertschöpfung bieten kann. Das steht mit der Doppelrolle in Frage und ist Gift für das Porsche IPO", erklärte Ingo Speich, Nachhaltigkeitschef der Fondsgesellschaft Deka, am Montag. Der Kleinaktionärsverband DSW plädierte für ein Verschieben des Börsengangs, bis ein neuer Porsche-Chef ins Amt kommt. "Bei einem Börsengang braucht man eine Leitfigur", sagte Ulrich Hocker, Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

Der überraschende Führungswechsel war am Freitagabend bekannt gegeben worden. VW-Aktien gerieten zu Wochenbeginn unter Druck mit Abschlägen von zweitweise 4,6 Prozent. Die Papiere des Grossaktionärs Porsche SE gaben bis zu 3,7 Prozent nach. Neben der Fragezeichen hinter dem Porsche-Börsengang belaste auch die Unsicherheit über die künftige Strategie mit der klaren Ausrichtung auf batterieelektrische Autos den Aktienkurs, sagte Speich.

Die bei Volkswagen übliche Ämterhäufung sorgt schon länger für Kritik. An der Börse gilt heute als Erfolgskriterium, dass Unternehmen die so genannten ESG-Prinzipien beherzigen - das steht für ökologische wie soziale Nachhaltigkeit und für "Governance", also auch gute Unternehmensführung. Bei Europas grösstem Autobauer ist der Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch zugleich Vorstandschef der Holding der Eigentümerfamilien Porsche und Piech, der Porsche SE. Porsche-Finanzchef Lutz Meschke, womöglich eine Option als künftiger Porsche-Chef, managt zugleich die Finanzen der PSE. Das führe zu starken Abhängigkeiten und zu mangelnder Kontrolle bei Volkswagen, wo neben der Eignerfamilie das Land Niedersachsen als Aktionär mitzureden hat und Betriebsrat wie die Gewerkschaft IG Metall viel Einfluss haben. "Der VW-Konzern müsste all diese Doppelbesetzungen abschaffen", forderte Speich.

Die Gemengelage bei dem Dax-Konzern aus Wolfsburg führe meistens zu Kompromissen, die den Wert für Minderheitsaktionäre nicht maximierten, erklärte Daniel Schwarz von Stifel Research. VW-Aktien kauften Investoren nicht wegen der guten Unternehmensführung, sondern wegen üppiger Gewinne, der klaren E-Autostrategie, starken Marken und dem Porsche-Börsengang. In Blumes Doppelmandat sieht Schwarz letztlich auch eine Chance. "Kommt der Börsengang von Porsche zustande, hat Blume als unangefochtener CEO einen Startvorteil", sagte der Experte.

Strategie in Frage?

Diess stand für eine klare Ausrichtung von Volkswagen auf Elektroautos, und zwar ausschliesslich batterieelektrische. Grosse Stückzahlen bei einheitlicher Technologie sah er als Schlüssel, die Kosten in den Griff zu bekommen und die Profitabilität zu halten. Blume dagegen will die Verbrennerwelt zumindest für die Porsche-Ikone 911er retten, indem er in emissionsärmeren synthetischen Kraftstoff investierte. Sein enger Kontakt mit FDP-Chef Christian Lindner während der Koalitionsverhandlungen der Bundesregierung, in denen die Liberalen eFuels als Option einbrachten, sorgte zuletzt für Schlagzeilen.

DSW-Präsident Hocker erwartet nun, dass auch bei VW eFuels und Brennstoffzelle/Wasserstoff noch eine Chance haben. Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer vermutet dagegen, dass Blume dem von Diess eingeschlagenen Kurs folgen wird. "Synfuels sind eine Nische für Porsche und nicht der Rede wert", erklärte der Chef des Center Automotive Research. Der neue Konzernchef werde an den hohen Investitionen in Batterieautos einschliesslich eigener Batteriefabriken festhalten. Dazu gebe es für VW auch keine Alternative, um die Marktführerschaft zu erreichen.

Das schwächelnde, zugleich aber für Volkswagen lebenswichtige China-Geschäft und die Software-Strategie mit der Tochter Cariad als Herzstück sind nach Ansicht der Fachleute die grössten Baustellen. Alles zusammen wäre zuviel auf Blumes Schreibtisch. "Spätestens nach dem IPO wird Blume zu hundert Prozent bei VW sein", lautet Dudenhöffers Prognose. Eine Neuausrichtung werde es unter dem neuen VW-Chef bei Cariad geben. Der Plan von Diess, alles zentral zu machen, dürfte überdacht werden. "Die Fehlschläge bei der Einheits-Lösung, die Widerstände bei den einzelnen Marken werden nach meiner Einschätzung zu einem generellen Überdenken führen", ergänzt Dudenhöffer. Software sei Blumes grösste und wichtigste Aufgabe, um den Kampf mit den Tech-Giganten aus den USA um digitale Dienste, den Gewinnbringer der Zukunft, zu gewinnen. 

(Reuters)