Auch für 2023 sind die Bundesbank-Ökonomen inzwischen deutlich weniger optimistisch und erwarten statt 3,2 Prozent Wirtschaftswachstum nur noch ein Plus von 2,4 Prozent. Etliche Institute haben ihre Konjunkturprognosen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gesenkt. Auch die Bundesbank-Experten betonen, dass die Unsicherheit über die künftige Wirtschaftsentwicklung vor allem wegen des russischen Angriffskriegs aussergewöhnlich hoch sei.

Einerseits sei zu erwarten, dass die Preise für Energierohstoffe wieder etwas sinken werden und Lieferengpässe graduell nachlassen, erklärte die Bundesbank. Zugleich dürften die privaten Haushalte zumindest einen Teil ihrer in der Corona-Pandemie angehäuften Ersparnisse in Konsum ummünzen und so die Konjunktur ankurbeln. Andererseits jedoch führe "die aussergewöhnlich hohe Teuerung zur Verunsicherung von Verbraucherinnen und Verbrauchern und schwäche deren Kaufkraft".

Im Mai war die jährliche Inflationsrate in Deutschland vorläufigen Zahlen zufolge mit 7,9 Prozent auf den höchsten Stand seit fast 50 Jahren gesprungen. Für das Gesamtjahr erwartet die Bundesbank inzwischen eine Teuerungsrate von 7,1 Prozent gemessen am sogenannten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), den die Europäische Zentralbank (EZB) für ihre Geldpolitik heranzieht.

"Die Verbraucherpreise werden in diesem Jahr noch stärker steigen als Anfang der 1980er Jahre", erklärte Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Der Preisdruck habe sich zuletzt sogar nochmal verstärkt, was die jetzt vorgelegten Prognosen nicht vollständig abbildeten. "Wenn man diese Entwicklung fortschreibt, könnte die HVPI-Rate im Jahresdurchschnitt 2022 deutlich mehr als 7 Prozent betragen."

Ab dem kommenden Jahr dürfte die Inflationsrate in Deutschland nach Einschätzung der Bundesbank allmählich sinken. Die HVPI-Rate könnte auf 4,5 Prozent im Jahr 2023 und auf 2,6 Prozent im Jahr 2024 zurückgehen. Die EZB strebt für den Euroraum insgesamt mittelfristig stabile Preise bei einer Inflationsrate von 2,0 Prozent an.

"Der Rückgang der Inflationsraten im Euroraum wird kein Selbstläufer sein", betonte Nagel. "Die Geldpolitik ist aufgerufen, die Teuerung durch konsequentes Handeln zurückzuführen." Am Donnerstag hatte die EZB beschlossen, ihre milliardenschweren Anleihenzukäufe zum 1. Juli zu beenden und bei ihrer nächsten Sitzung am 21. Juli erstmals seit elf Jahren die Leitzinsen im Euroraum wieder leicht anzuheben./ben/DP/nas

(AWP)