Knapp 21 Stunden an zwei Tagen hatten die Spitzen von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt um Details gerungen - und überraschten am späten Mittwochabend vor allem damit, dass die Mehrwertsteuer von Juli bis Dezember nur 16 statt 19 Prozent betragen soll. Der reduzierte Satz soll von 7 auf 5 Prozent sinken. CSU-Chef Markus Söder nannte dies ein "Herzstück" der Beschlüsse und hält es für denkbar, den Steuerrabatt zu verlängern, wenn die Erholung auf sich warten lässt.

Ziel der historisch grossen Staatsausgaben ist es, der Wirtschaft in der Corona-Pandemie wieder auf die Beine zu helfen und die Bürger zum Geldausgeben anzuregen. Noch in der Nacht hatte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) gesagt: "Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen". SPD-Chefin Saskia Esken sagte dem SWR: "Das grösste Konjunkturpaket der Nachkriegsgeschichte trifft auf die grösste Krise der Nachkriegsgeschichte." Und auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält den Kraftakt, für den der Bund neue Schulden aufnehmen wird, für nötig und angemessen: Das Programm laufe "nicht aus dem Ruder".

Die Opposition sieht das etwas anders. "Das Prinzip "Teure Giesskanne" hat sich durchgesetzt", sagte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch der dpa. FDP-Fraktionsvize Christian Dürr warnte vor der "Gefahr eines gigantischen Strohfeuers", weil vor allem auf kurzfristige Konsumanreize gesetzt werde. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag), das Paket sei ein "Bauchladen an kostspieligen, überwiegend ineffizienten und vielfach einander widersprechenden Massnahmen."

Die Grünen-Spitze nannte das Paket dagegen "besser als erwartet" - Parteichefin Annalena Baerbock begrüsste insbesondere, dass die Kaufprämie zwar für Autos mit Elektroantrieb erhöht wird, aber nicht auch für Diesel und Benziner kommt, wie es die Branche gefordert hatte. Die Klimabewegung habe "in diesem Punkt gegen die Autolobby gewonnen", sagte Aktivistin Luisa Neubauer dem RND. Der Naturschutzbund Nabu lobte auch, dass die Mittel für klimafreundliche Gebäudesanierung deutlich aufgestockt werden sollen. Der Dachverband Naturschutzring befand, es gehe "in die richtige Richtung".

Besonders viel Lob kam aus der Wirtschaft und von Ökonomen. Der Industrieverband BDI erklärte, die Koalition sende ein "starkes Signal an Bürger und Unternehmen", das Paket werde "die Rezession deutlich abmildern". Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte, die Beschlüsse seien ein "Beitrag für einen raschen Ausstieg aus der Krise", der Handwerksverband ZDH nannte das Paket eine "bemerkenswerte Antwort auf eine beispiellose Krise". Auch der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, lobte das Paket als durchdacht und ausgewogen - und der Chef der "Wirtschaftsweisen", Lars Feld, sagte dem "Handelsblatt", er sei "positiv überrascht".

Selbst der Bund der Steuerzahler bewertete die Ergebnisse als "Programm mit Mut", kritisierte aber auch ein "teures Sammelsurium", das "offenbar parteipolitischen Wünschen geschuldet" sei.

Nach den kurzfristigen Hilfen in der Corona-Krise reichen die geplanten Konjunkturhilfen zum Teil weit über die derzeitige Legislaturperiode hinaus. Fast die Hälfte der 130 Milliarden Euro fliesst nach den Worten von Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) in Zukunftsbereiche wie die Wasserstoff als Energieträger, Quantentechnologien oder Künstliche Intelligenz.

Bei den Stromkosten sollen die Bürger entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgesenkt und gedeckelt werden.

Die Spitzen von Union und SPD einigten sich auch auf einen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind, der mit dem Kindergeld ausgezahlt werden soll. Er solle "aller Wahrscheinlichkeit nach" in drei Raten von je 100 Euro überwiesen werden, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Der Sozialverband VdK hält davon wenig: "Der Kinderbonus wird verbrennen wie ein Strohfeuer", sagte Präsidentin Verena Bentele der "Rheinischen Post". Zielgenauer wäre, nur bedürftige Familien zu unterstützen.

Die finanziell schwer getroffenen Kommunen bekommen ebenfalls Milliardenhilfen von Bund und Ländern, um Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen für 2020 und 2021 auszugleichen. Städte, Gemeinden und Landkreise begrüssten die Beschlüsse insgesamt, auch wenn die von der SPD geforderte Übernahme von Altschulden es nicht in den Kompromiss geschafft hat.

Die Koalitionsspitzen einigten sich auch auf eine zusätzliche Unterstützung in Milliardenhöhe für Branchen, die von der Krise besonders belastet sind. Geplant sind "Überbrückungshilfen" im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro. Damit soll eine Pleitewelle bei kleinen und mittleren Firmen verhindert werden. Ausserdem soll es steuerliche Entlastungen geben, damit die Existenz von Firmen gesichert wird und diese Spielräume für Investitionen haben./ted/rm/bk/had/tam/hoe/swd/jr/DP/zb

(AWP)