Sinkt die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer "technischen Rezession". Aktuell handelt es sich aber nur um eine sehr milde Rezession. Anders sähe es aus, wenn die Wirtschaftsleistung im Gesamtjahr gegenüber dem Vorjahr schrumpft. Damit wird aber nicht gerechnet. Zuletzt war dies 2009 infolge der globalen Finanzkrise der Fall; seitdem hatte die deutsche Wirtschaft ununterbrochen mit zum Teil kräftigen Wachstumsraten zugelegt.

Solch schwache Zahlen wie aktuell habe es zuletzt 2013 im Zuge der Euro-Schuldenkrise gegeben, betont das IfW. Mitte nächsten Jahres dürfte die Konjunktur aber wieder anziehen. 2021 zeichnet sich laut IfW erstmals wieder ein Defizit in den öffentlichen Haushalten ab.

"Belastend für die deutschen Wirtschaftsaussichten ist vor allem die durch Handelskonflikte und den Brexit vorherrschende politische Unsicherheit, wobei insbesondere Investitionen und Exporte unter Druck stehen", erklärte das IfW.

Laut Generalrevision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) durchläuft die deutsche Wirtschaft seit dem Jahreswechsel 2017/2018 eine Abkühlungsphase und damit etwa schon ein halbes Jahr länger, als es bislang anhand der Daten ablesbar war. Für 2020 rechnen die IfW-Forscher nun mit einem Plus beim BIP von 1 Prozent (bislang 1,6 Prozent), wobei mit 0,4 Prozentpunkten fast die Hälfte des Zuwachses auf die im Vergleich zum Durchschnitt höhere Zahl an Arbeitstagen zurückgeht. 2021 dürfte das BIP um 1,4 Prozent zulegen.

Während die Industrie die Schwelle zur Rezession schon überschritten habe, habe der Abschwung die konsumnahen Dienstleister noch nicht voll erfasst, und die Bauwirtschaft laufe weiter hochtourig. "Allerdings werden die Probleme in der Industrie vermehrt auf die übrigen Bereiche ausstrahlen, und die gestiegenen Löhne machen einen Stellenabbau im Abschwung wahrscheinlich", sagte Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums am IfW. Dennoch bestehe kein Anlass für konjunkturpolitischen Aktionismus, etwa durch Investitionsprogramme, die vor allem die Baupreise anheizen würden. Stattdessen sollte man den Staatshaushalt mit der Konjunktur atmen lassen, wie es die Schuldenbremse vorsieht. "An der schwarzen Null muss indes nicht krampfhaft festgehalten werden", erklärte Kooths.

Die schwächelnde Konjunktur macht sich laut IfW im Staatshaushalt bemerkbar. Die jährlichen Überschüsse sinken von 43 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 14 Milliarden Euro im nächsten Jahr und verwandeln sich 2021 erstmals wieder seit dem Jahr 2011 in ein Defizit von 7 Milliarden Euro - das entspräche 0,2 Prozent des BIP.

Die Konjunktur im Euroraum und weltweit wird, wie das IfW analysiert, insbesondere durch eine absehbar weitere Lockerung der Geldpolitik stimuliert. Die politische Unsicherheit infolge der Handelskonflikte und populistischer Regierungen belaste aber den Ausblick. "Vor allem die Industrie befindet sich im Abschwung." Das BIP im Euroraum dürfte auch 2020 um 1,2 Prozent zulegen und 2021 um 1,5 Prozent. Die Arbeitslosigkeit wird laut Kieler Prognose im Euroraum weiter zurückgehen und ihren historischen Tiefstwert von vor der Finanzkrise unterschreiten. In Deutschland dagegen werde die Arbeitslosenquote von 5,0 in 2019 in den Folgejahren auf 5,2 und 5,3 Prozent steigen.

Der Welthandel ist seit Jahresbeginn in der Tendenz rückläufig. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften schwächte sich die Konjunktur zuletzt ab, in den Schwellenländern belebte sie sich dagegen etwas. Im laufenden Jahr dürfte die Weltproduktion nur noch um 3,1 Prozent, 2020 um 3,2, Prozent zunehmen, nach 3,7 Prozent 2018. "Die Prognoseunsicherheit ist durch die gegenwärtigen handelspolitischen Spannungen besonders gross", betonten die Kieler Forscher. Der ungeklärte Brexit habe für die deutsche Aussenwirtschaft eine geringere Bedeutung als die globalen Handelskonflikte, sagte Kooths./mho/DP/bgf

(AWP)