Die Institute rechnen in diesem Jahr mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland von nur noch 2,4 Prozent Im Frühjahr hatten sie noch erwartet, dass nach dem coronabedingten Einbruch der Wirtschaft 2020 das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 3,7 Prozent zulegt.

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland sei nach wie vor von der Corona-Pandemie gekennzeichnet, hiess es. Eine vollständige Normalisierung "kontaktintensiver Aktivitäten" sei kurzfristig nicht zu erwarten. Darunter leide vor allem der Dienstleistungsbereich.

Eine Folgewirkung der Pandemie seien weltweite Lieferengpässe. Im vergangenen Jahr war die Nachfrage eingebrochen, nun zieht die Weltwirtschaft wieder an, vor allem in Asien. Staus an Häfen und fehlende Containerkapazitäten behindern aber die Exporte. Vorprodukte fehlen oder sind im Preis stark gestiegen. Das betrifft zum Beispiel einen Mangel an Halbleitern - das belastet etwa die Autoindustrie.

Die kräftige Nachfrage hatte auch die Rohstoffpreise stark steigen lassen, drastisch angezogen haben zuletzt die Gaspreise. Die gestiegenen Energiepreise haben den Preisauftrieb in Deutschland angeheizt: Im September kletterten die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitgeteilte hatte.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 3 Prozent im laufenden Jahr. Im kommenden Jahr wird erwartet, dass der Preisschub etwas nachlässt und die Inflation auf 2,5 Prozent sinkt - das wäre allerdings immer noch ein hohes Niveau. Man könne für den "akuten Inflationsdruck" Entwarnung geben, sagte Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft Kiel. Die Verbraucherpreise würden sich im Verlauf des kommenden Jahres wieder einrenken - auch weil dann ein Sondereffekte wegfallen. So schlägt derzeit die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung des zweiten Halbjahres 2020 voll auf die Teuerung durch.

Auf dem Arbeitsmarkt sehen die Institute Signale für eine weitere Entspannung. Die Erwerbstätigkeit dürfte weiter zulegen, die Arbeitslosenquote nach 5,9 Prozent im Vorjahr in diesem Jahr im Jahresdurchschnitt auf 5,7 Prozent sinken.

Die Einkommen der privaten Haushalte erhöhen sich laut Prognose in diesem Jahr durch finanzpolitische Massnahmen wie die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlages zu Jahresbeginn. Die Institute rechnen damit, dass die verfügbaren Einkommen um 2,1 Prozent steigen. Im kommenden Jahr dürfte der Anstieg mit 4,4 Prozent höher ausfallen.

2022 fällt der Wirtschaftsaufschwung laut Prognose dann kräftiger aus: Die Institute rechnen mit einem Wachstum von 4,8 Prozent. In ihrer Frühjahrsprognose waren sie noch von einem Plus von 3,9 Prozent für das nächste Jahr ausgegangen.

Ein massgeblicher Treiber bei der wirtschaftlichen Erholung werde im kommenden Jahr der private Konsum sein, sagte Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. In der Corona-Pandemie haben viele Verbraucher Geld auf die hohe Kante gelegt, die Sparquote ist gestiegen. "Wenn die Pandemie im Frühjahr des kommenden Jahres das Wirtschaftsgeschehen nicht mehr belastet, wird sich der Konsum mit kräftigen Raten erholen", heisst es in der Prognose.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, die deutsche Wirtschaft erhole sich und wachse. Das Tempo des Wachstums habe sich aber verlangsamt. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte, die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie komme ins Stottern. Die Wirtschaft brauche einen spürbaren "Investitions-Ruck".

Mit Blick auf die Verhandlungen über eine neue Bundesregierung forderten die Ökonomen die Politik zu Reformen auf. Das Rentensystem sei nicht stabil, sagte Holtemöller. Die derzeitige Klimapolitik sei zur Erreichung der Emissionsziele nicht hinreichend und für gegebene Ziele unnötig teuer. Die Institute schlagen vor, dass der Staat CO2- Zertifikate schrittweise verringert. Bei steigenden CO2-Preisen im Verkehr sei es wichtig, einen sozialen Ausgleich vor allem für einkommensschwache Haushalte zu schaffen.

Dazu komme, dass der "Verteilungsspielraum" in den kommenden Jahren kleiner werde, so Holtemöller. Das hängt auch mit der Alterung der Gesellschaft zusammen. Weniger Erwerbstätige je Einwohner müssten das Einkommen erwirtschaften, ein grösserer Teil des Einkommens als zuvor müsse investiert werden, um den Klimaschutz zu meistern, wie es in der Prognose heisst. Holtemöller sagte: "Politik und Bevölkerung in Deutschland haben noch nicht ganz verstanden, dass der Klimaschutz bedeutet, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen."

Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose der Institute wird zweimal im Jahr erstellt, im Frühjahr und im Herbst - und zwar vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, dem Ifo-Institut, dem Institut für Weltwirtschaft, dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle und dem RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen./hoe/DP/men

(AWP)