Die Schweizer Wirtschaft dürfte 2017 ein Wachstum von 1,3% erreichen, prognostiziertee Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff am Mittwoch vor den Medien in Zürich. Damit hält er an den bisherigen Prognosen fest. Die hiesige Konjunktur dürfte also an die Leistung des Vorjahres anknüpfen, in dem das Bruttoinlandprodukt (BIP) laut ersten Schätzungen um 1,4 Prozent wuchs.

"Was sich 2015 abzeichnete, hat sich 2016 noch akzentuiert. Die auf den ersten Blick positiven Konjunkturindikatoren entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als sehr einseitige Angelegenheit", erklärte Raiffeisen in einem Communiqué. Von einer breiten Erholung der Konjunktur sei die Schweiz noch weit entfernt.

PHARMABRANCHE ZIEHT KARREN

Die Schweizer Exporte hätten zwar im vergangenen Jahr um über 4% zugelegt. Dies sei jedoch einzig der boomenden Pharmabranche zu verdanken. Ohne die Pharmaausfuhren hätte die Handelsbilanz der Schweiz ein Defizit. Mittlerweile machten die Medikamentenexporte 38% der Schweizer Ausfuhren aus. 1988 seien es erst 10% gewesen.

Von den Ländern mit den zehn grössten Handelsbilanzüberschüssen sei nur Norwegen noch stärker von einer einzigen Branche abhängig. Dort sei es die Ölindustrie. "Wir müssen die Pharmabranche pflegen, aber nicht nur die Pharmaindustrie", sagte Neff.

"Alle anderen Exportzweige sind immer noch massiv vom Wechselkurs angeschlagen", befanden die Raiffeisen-Ökonomen. Es gebe zwar jüngst leichte Anzeichen einer allmählichen Erholung, so etwa in der zweitwichtigsten Exportbranche, der Maschinenindustrie, und auch im Gastgewerbe. Damit sich diese Erholung aber fortsetze, müsse sich die Konjunktur in Europa beschleunigen und jegliche Turbulenzen an den Finanzmärkten müssen ausbleiben.

SCHOCK NOCH NICHT ABGEHAKT

Er tue sich schwer, den Wechselkursschock zwei Jahre nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses bereits abzuhaken, sagte Neff. Das dauere noch eine Weile. Solche grossen exogenen Schocks für die Wirtschaft würden nie sofort überwunden. Mit einem Eurokurs von 1,07 CHF sei die hiesige Währung immer noch massiv überbewertet.

Dies führe trotz Wirtschaftswachstum zu einer Zurückhaltung der Unternehmen bei neuen Investitionen. "Deshalb glauben wir auch nicht an ein weiteres Beschäftigungswunder in der Schweiz", sagte Neff. Es würden nur wenige Stellen geschaffen.

In den letzten zwei Jahren seien zwar 28'000 Stellen in der Schweiz entstanden. Das Plus komme aber hauptsächlich vom Gesundheits- und Sozialwesen, vom Dienstleistungssektor oder von der öffentlichen Verwaltung.

Dagegen seien im verarbeitenden Gewerbe 16'000 Jobs sowie im Gastgewerbe und der Berherbergungsbranche 6000 Arbeitsplätze verloren gegangen, erklärte Neff. Die Deindustrialisierung schreite weiter voran. Diese habe nicht erst mit dem Frankenschock begonnen, aber sich seither akzentuiert. Seit 1991 seien im verarbeitenden Gewerbe und in der Industrie 220'000 Arbeitsplätze verschwunden. Im laufenden Jahr dürften nochmals etwa 10'000 Stellen abgebaut werden.

(AWP)