Um 8,2 Prozent sank das hiesige Bruttoinlandprodukt (BIP) in der Periode von April bis Juni 2020 zum Vorquartal. Praktisch alle BIP-Komponenten brachen mehr oder weniger stark ein: der private Konsum etwa um 8,6 Prozent, die Ausrüstungsinvestitionen um 11,7 Prozent oder der Export (ohne den volatilen Transithandel) um 14,4 Prozent. Einzig der staatliche Konsum (+0,2%) hat ein - wenn auch nur kleines - Plus verzeichnet.

Einzelne Branchen erlebten gar einen Absturz in kaum vorstellbarem Ausmass: so etwa das Gastgewerbe (-54,2%) oder der Transport- und Kommunikationssektor (-21,7%). Beim verarbeitender Gewerbe wird das Minus (-9,0%) geschönt von der Pharmaindustrie. Die klassische, konjunktursensitive Industrie - etwa die Metall- und Maschinenindustrie oder die Uhrenindustrie - mussten viel stärkere Einbrüche hinnehmen.

Spanien am stärksten getroffen

Wenn auch der Einbruch im Berichtsquartal der schärfste ist seit Beginn der Aufzeichnung von Quartalszahlen ab 1980, so kommt die Schweiz im Vergleich zu einigen anderen (europäischen) Ländern bisher relativ gut weg. In der Schweiz war das BIP bereits im ersten Quartal um 2,5 Prozent rückläufig gewesen, für das erste Halbjahr ergibt sich somit ein kumulierter Rückgang des BIP gegenüber dem vierten Quartal 2019 - also vor dem Beginn der Pandemie - um 10,5 Prozent.

Besonders hart traf es im ersten Semester Spanien (-22,7%), Grossbritannien (-22,1%), Frankreich (-18,9%) oder Italien (-17,1%), für den gesamten Euroraum ergibt sich ein Rückgang von 15,2 Prozent. Etwas besser hielten sich die beiden Nachbarländer Österreich (-12,9%) und Deutschland (-11,5%).

Gar besser als die Schweiz schnitten die skandinavischen Länder Dänemark (-9,2%), Schweden (-8,5%) oder Finnland (-5,0%). Praktisch gleich stark wie in der Schweiz war der Einbruch im ersten Semester in den USA mit -10,6 Prozent. In China, wo die Pandemie ausbrach, erholte sich die Wirtschaft sehr schnell. Nach einem Minus von 10,1 Prozent im ersten Quartal folgte ein Plus von 11,7 Prozent im zweiten Quartal, so dass sich für das erste Semester gar ein leichtes Wachstum (+0,4%) ergab.

Kürzerer Lockdown

Die im Vergleich vor allem zu den Nachbarn etwas bessere Entwicklung in der Schweiz lässt sich einerseits mit dem kürzeren und weniger harten Lockdown im Vergleich zu gewissen anderen Ländern sowie der Branchenstruktur bzw. dem Tourismus-Anteil am BIP erklären, wie Ronald Indergand, Leiter Ressort Konjunktur im Seco, gegenüber der Nachrichtenagentur AWP darlegte.

So kam es bekanntlich in Spanien und Italien zu weitergehenden Betriebsschliessungen als im deutschsprachigen Raum. Etwa wurden Baustellen oder Industrieunternehmen hierzulande nicht flächendeckend geschlossen. Aber auch die Dauer der Restriktionen variierte. In Grossbritannien etwa begann die Wiederöffnung der Wirtschaft erst im Verlauf des Mai, während die deutschsprachigen Länder bereits ab April Öffnungsschritte vornahmen.

In Bezug auf die Branchenstruktur profitierte die Schweiz etwa vom grossen Anteil der Pharmaindustrie, deren Umsätze auch während der Pandemie zulegten, während etwa die für Deutschland wichtige Autoindustrie einbrach. Im Vergleich zu Österreich, Spanien oder Italien macht vor allem auch die Bedeutung des Tourismus den Unterschied aus.

Der Tourismus-Anteil am BIP liegt in der Schweiz unter 2 Prozent, in Österreich hingegen bei über 5 oder in Spanien bei über 6 Prozent. "Der starke Einbruch der Tourismus-Industrie wirkt sich damit dort viel stärker aus", so Ronald Indergand vom Seco.

Starke Erholung im dritten Quartal

Im gleichen Ausmass wie zuletzt dürfte es mit der Wirtschaft wohl nicht mehr abwärts gehen. Im Gegenteil: Der starke Einbruch im zweiten Quartal dürfte ein einmaliges Ereignis gewesen sein. Das Tempo der Erholung nach Aufhebung des Lockdowns sei jedenfalls bisher "zügig" gewesen, so Indergand.

Die vorhanden Daten etwa zur Mobilität oder zu getätigten Zahlungen zeigten: Der Tiefpunkt sei in der erste Aprilhälfte gewesen, seit Mai gehe es wieder aufwärts - teilweise rasant (z.B. Detailhandel), teilweise etwas langsamer (z.B. Reisebranche). "Auch im Juni und Juli hat sich die positive Entwicklung fortgesetzt", betonte Indergand. Ein BIP-Plus im hohen einstelligen Prozentbereich sei jedenfalls möglich.

Gewisse Vorbehalte macht Indergand allerdings: es sei gut möglich, dass es wegen der steigenden Infektionszahlen zu gewissen Einschränkungen kommen werde, wenn vielleicht nur regional und in einzelnen Kantonen. Ein Risiko für die Erholung sei ausserdem die Eurozone. Länder wie Spanien oder Italien würden noch "sehr lange mit den Folgen der Rezession zu kämpfen haben", was etwa für Schweizer Exporte in solche Länder eine Belastung sei.

uh/jr

(AWP)