Der Anschein der Befangenheit beim Staatsanwalt war bereits der Grund für den Abbruch der Verhandlung vor Obergericht am 8. Dezember vergangenen Jahres. Am Freitag hat das Obergericht nun mitgeteilt, wie es mit dem Verfahren weitergeht: Die vorangehende Instanz, das Bezirksgericht Zürich, wird sich erneut damit befassen müssen.

Der Anschein der Befangenheit beim Staatsanwalt hat gemäss dem Entscheid des Obergerichts dazu geführt, dass die von ihm erhobenen Beweise nicht gegen die Beschuldigten verwendet werden können. Dass er im laufenden Verfahren durch einen Kollegen abgelöst würde, konnte das Problem nach Ansicht des Obergerichts nicht lösen.

Die vom neuen Staatsanwalt durchgeführten Einvernahmen seien nämlich ebenfalls nicht verwertbar, weil sie zu einem grossen Teil auf Erkenntnissen seines Vorgängers beruhen würden.

Zurück zur Vorinstanz oder Staatsanwaltschaft

Das Bezirksgericht Zürich soll deshalb nun die Beweisabnahme wiederholen, oder das Verfahren an die Staatsanwaltschaft zurückweisen.

Grund für mögliche Befangenheit des ursprünglich ermittelnden Staatsanwalts ist, dass er nicht nur in diesem Verfahren ermittelte, sondern parallel dazu auch eine gegenseitige Strafanzeige des beschuldigten Rechtsanwalts behandelte.

In den beiden Verfahren soll er einen sehr unterschiedlichen Tatendrang gehabt haben. Während es im Verfahren gegen den deutschen Anwalt Eckart Seith und die beiden Banker sehr rasch zu Hausdurchsuchungen und Festnahmen kam, geschah mit der Anzeige Seiths gegen Kadermitarbeiter der Bank lange Zeit nicht viel - ausser dass sie der Bank zugestellt wurde, was laut Obergericht "per se aussergewöhnlich" sei.

Gegen den Entscheid des Obergerichts kann Beschwerde beim Bundesgericht erhoben werden.

Interne Dokumente zugespielt

In dem Prozess gibt es drei Beschuldigte. Zwei davon sind ehemalige Mitarbeiter der Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin, beim dritten handelt es sich um den deutschen Anwalt Seith.

Den ehemaligen Bank-Mitarbeitern wird vorgeworfen, sich an Seith gewandt und ihm interne Dokumente zugespielt zu haben. Mit Hilfe dieser Dokumente soll er den milliardenschweren Drogerie-König Erwin Müller im Kampf gegen die Schweizer Bank J. Safra Sarasin vertreten haben.

Als Gegenleistung sollten die beiden Bank-Mitarbeiter ein Prozent des Prozess-Erlöses von 45 Millionen Euro erhalten. Das Bezirksgericht Zürich hatte Seith im April 2019 wegen Anstiftung zum mehrfachen Vergehen gegen das Bankengesetz zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Vom Vorwurf der Wirtschaftsspionage sprach es ihn frei.

Die Bank-Mitarbeiter erhielten eine bedingte Freiheitsstrafe wegen Wirtschaftsspionage respektive ebenfalls eine bedingte Geldstrafe wegen Anstiftung zum Vergehen gegen das Bankengesetz.

Mit Trick den Fiskus geprellt

Hintergrund des Verfahrens ist der so genannte Cum-Ex-Steuerbetrug. Dem deutschen Staat entstand dadurch Schaden in Milliardenhöhe. In Deutschland gilt Seith als Whistleblower, der zur Aufdeckung des Skandals beigetragen hat.

Ermöglicht wurde der Trick durch eine Gesetzeslücke: Rund um den Dividendenstichtag schoben Investoren Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin und her. Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem die Papiere eigentlich gehörten.

Deutsche Finanzämter erstatteten so Verrechnungssteuern, die nie gezahlt worden waren. Auch die Bank J. Safra Sarasin hatte Finanzprodukte verkauft, die darauf beruhten. 2012 wurde die Gesetzeslücke geschlossen.

Einer der Sarasin-Kunden war der deutsche Drogerie-König Erwin Müller. Er verlor Millionen, als der Sarasin-Fonds zusammenbrach. Daraufhin beschuldigte er die Bank, ihn schlecht beraten zu haben, und verklagte sie mit Hilfe des Anwalts Seith und der internen Bank-Dokumente aus der Schweiz.

Das Landgericht Ulm verurteilte die Bank 2017 zu einem Schadenersatz von 45 Millionen Euro. Im Juli 2021 beurteilte der deutsche Bundesgerichtshof Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung.

(AWP)