Unternehmen sind nach den geplanten Regeln den Angaben zufolge für ihre Geschäftskette, also auch Geschäftspartner des Unternehmens und teilweise auch für nachgelagerten Tätigkeiten wie Vertrieb oder Recycling verantwortlich. Der Finanzsektor soll zunächst von den Vorgaben ausgeschlossen werden. Grundsätzlich gelten die Regeln für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz. Firmen, die nicht in der EU sitzen, fallen unter das Gesetz, wenn sie in der EU einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro machen. Die EU-Kommission soll eine Liste der betroffenen Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen.
Vorgesehen ist auch, dass Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn es in ihren Lieferketten zu Verstössen gegen Menschenrechte kommt. Die Einigung muss vom Parlament und den EU-Staaten noch bestätigt werden, das ist normalerweise aber Formsache.
Deutschland muss nachschärfen
Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini, sprach zwar von einem guten Tag für die Menschenrechte, sie hätte sich aber noch strengere Regeln für Klima- und Umweltschutz gewünscht. Die Grünen-Politikerin betonte auch, dass das EU-Lieferkettengesetz über das deutsche Gesetz hinaus gehe. So müssten in Zukunft mehr Unternehmen über ihre gesamte Lieferkette hinweg Risiken erfassen. Das EU-Lieferkettengesetz ist eine sogenannte Richtlinie, die die Bundesregierung noch in nationales Recht umsetzen muss, in Deutschland gilt seit Jahresbeginn bereits ein Lieferkettengesetz.
Der Europarechtsprofessor und SPD-Europaabgeordnete René Repasi wies darauf hin, dass mit dem Gesetz deutsche Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar seien, was bislang im deutschen Lieferkettengesetz ausgeschlossen sei. So könnten Unternehmen zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen und beispielsweise Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden.
Unionspolitiker hatten sich ähnlich wie Wirtschaftsvertreter immer wieder kritisch zu dem Gesetz geäussert. Sie befürchteten etwa zu grossen Bürokratieaufwand für Unternehmen und dadurch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Firmen aus Drittstaaten, die nicht von den Regeln betroffen sind.
Was bislang in Deutschland gilt
Das deutsche Lieferkettengesetz gilt bisher für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind davon rund 900 Unternehmen betroffen. Ab 2024 greift es für Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Betroffene Firmen müssen auch unter den deutschen Vorgaben unter anderem analysieren, wie gross das Risiko ist, dass sie von Menschenrechtsverstössen wie Zwangsarbeit profitieren. Wenn sie Hinweise auf Verstösse haben, müssen sie Massnahmen ergreifen, «um diese Verletzung zu verhindern, zu beenden oder das Ausmass der Verletzung zu minimieren», heisst es im Gesetz.
Kontrolliert werden die Vorgaben vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Es geht auch eingereichten Beschwerden nach. Stellt das Bundesamt Versäumnisse oder Verstösse fest, kann es Bussgelder verhängen. Unternehmen, die sich nicht an die Regeln gehalten haben, können auch von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.
Knapp 80 Millionen Minderjährige leiden unter Kinderarbeit
BMZ-Angaben zufolge arbeiten weltweit knapp 80 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen in Textilfabriken, Steinbrüchen oder auf Kaffeeplantagen. «Auch für unsere Produkte», so das Ministerium. Laut der Hilfsorganisation Terre des Hommes können zahlreiche Produkte von Kinderarbeit betroffen sein. Dazu zählen etwa Blumen, Kleidung, Computer, Tabak, Feuerwerk, Fussbälle, Kosmetik oder Lebensmittel./mjm/DP/jha
(AWP)