Am Donnerstag wurde der hypothekarische Referenzzinssatz zum ersten Mal überhaupt angehoben. Damit erreichen die Zinserhöhungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im Wohnbereich nun auch die Mieterschaft, nachdem Wohneigentümer durch höhere Hypothekarzinszahlungen bereits seit längerem vom Zinsschub betroffen sind.

Die SNB hat wegen der hohen Inflation innerhalb von neun Monaten ihren Leitzins in vier Schritten von minus 0,75 auf plus 1,50 Prozent angehoben. Und das ist wohl noch nicht das Ende. Hier wichtige Fragen und Antworten zur Erhöhung des Referenzzinssatzes:

Was ist die Ausgangslage?

Der hypothekarische Referenzzinssatz des Bundesamtes für Wohnungswesen besteht seit 2008 und wird vierteljährlich auf Basis des Durchschnittszinssatzes der ausstehenden Hypotheken in der Schweiz berechnet. Er erlaubt jeweils Mietanpassungen nach einer Veränderung um 0,25 Prozentpunkte. Da die Leitzinsen der SNB von 2008 bis 2022 stetig nach unten gegangen waren, fiel auch der Referenzzinssatz für Mieten konstant. Zum letzten Mal wurde er im März 2020 auf ein Rekordniveau von 1,25 Prozent gesenkt.

In den letzten Jahren passten einige Vermieter die Mieten freiwillig an. Die meisten Mieter mussten allerdings die Mietzinssenkungen beim Immobilienbesitzer einfordern. Jetzt ist das Gegenteil der Fall: Die gestiegenen Leitzinsen der SNB und damit die Erhöhung des Referenzzinssatzes erlauben den Vermietern nun wieder Mietzinserhöhungen.

Wie oft wird sich der Referenzzinssatz erhöhen?

Nach der Erhöhung des Referenzzinssatzes am 1. Juni von 1,25 Prozent auf 1,5 Prozent könnten weitere entsprechende Schritte folgen. Die Credit Suisse rechnet in ihrem wahrscheinlichsten Szenario mit einer zusätzlichen Erhöhung des Referenzzinssatzes auf 1,75 Prozent bereits im Dezember 2023, eine dritte Erhöhung erfolgt demnach ein Jahr später.

Wer ist von der Erhöhung des Referenzzinssatzes betroffen?

Laut einer Schätzung der Zürcher Kantonalbank basieren derzeit rund die Hälfte aller Mietverhältnisse in der Schweiz auf dem aktuellen Referenzzinssatz.

Wie stark werden die Mieten steigen?

Von der ersten Erhöhung des Zinssatzes im Juni werden viele Mieter bereits im Oktober betroffen sein. Steigt der Referenzzinssatz im Dezember wie angenommen nochmals auf 1,75 Prozent, dann steigen die Mieten bis April 2024 um 6 Prozent. Dies gilt für Nettomieten, welche derzeit auf Basis von 1,25 Prozent Referenzzinssatz berechnet werden.

Kommen weitere Kosten dazu?

In der Schweiz darf die Teuerung zu 40 Prozent an die Mieterschaft weitergegeben werden. Dazu können “allgemeine Kostensteigerungen” von rund 0,5 Prozent durch den Vermieter geltend gemacht werden. Zusammengezählt kann der Anstieg der Mieten bis April 2024 somit bis zu 10 Prozent betragen.

Rund die Hälfte der Mietverträge in der Schweiz beruht allerdings nicht auf einem Referenzzinssatz von 1,25 Prozent. In solchen Fällen haben Mieter in den letzten Jahren keine Mietzinsreduktionen eingefordert. Bei ihnen ist der Basiseffekt bei der Erhöhung des Referenzzinssatzes etwas schwächer. Das heisst, die Mietzinserhöhungen (und die zusätzlichen Kosten) werden bei ihnen nicht so deutlich ausfallen. Im Mittel dürfte der Mietpreisanstieg laut einer Schätzung der Credit Suisse rund 7 Prozent betragen.

Gibt es geographische Unterschiede bei den Mietzinserhöhungen?

In ländlichen Regionen werden Vermieter wohl etwas zurückhaltender bei Mietpreisanpassungen agieren als in den Städten, wo die Hauseigentümer die Mieten wohl in den meisten Fällen steigern werden. Grund: In den Städten ist das Wohnungsangebot deutlich knapper als auf dem Land. Dort können Mieter flexibler auf bessere Angebote am Mietwohnungsmarkt ausweichen, falls ihnen die Mietpreise zu hoch werden. Häufige Wohnungswechsel wollen Vermieter nicht.

Treiben höhere Mieten die Inflation in der Schweiz an?

Nirgendwo sonst wie im Immobilienmarkt treten die Paradoxa von Zinsänderungen durch die SNB zutage. Mit ihren Tiefst- und Negativzinsen befeuerte die SNB zuerst den Run auf Wohnimmobilien und trieb damit die Preise in ungesunde Höhen. Mit den Zinserhöhungen seit letztem Jahr will die SNB nun einerseits die Inflation bekämpfen. Mit den steigenden Mieten, welche durch die Erhöhung des Referenzzinssatzes ausgelöst werden, treibt sie aber genau diese Inflation nach oben.

Die Effekte auf die Teuerungsentwicklung könnten nicht unerheblich sein: “Geht man davon aus, dass die Vermieter die Möglichkeit zur Mietzinserhöhung mehrheitlich nutzen und zudem 40 Prozent der Inflation überwälzen, bedeutet dies unseren Berechnungen zufolge einen Effekt auf die Gesamtinflation einer Referenzzinssatzerhöhung von gut einem halben Prozentpunkt”, schreibt Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch auf Anfrage von cash. Bei einer zweiten Referenzzinssatzerhöhung im Dezember könnte die Inflationsrate dann bis Mitte nächstes Jahr insgesamt gut 1 Prozentpunkt höher liegen, so Koch.

Inwiefern haben höhere Mieten Auswirkungen auf den Konsum und damit die Wirtschaft?

Diese Frage ist schwierig in Zahlen abzuschätzen. Aber ökonomischen Gesetzen zufolge neigen Individuen, die beispielsweise bei Fixkosten plötzlich einen ansehnlichen Betrag mehr bezahlen müssen, zu Zurückhaltung anderswo. “Kräftigere Mietzinserhöhungen bedeuten genauso wie höhere Hypothekarzinszahlungen einen entsprechenden Kaufkraftverlust für die Mieter und Eigentümer”, schreibt Koch von Raiffeisen. Dies schmälere die Budgets.

"Und wenn dies nicht durch eine geringere Sparquote ausgeglichen werden kann beziehungsweise wird, dann müssen die Ausgaben an anderer Stelle eingespart werden, was sich dämpfend auf den Konsum auswirkt", so Koch.

Profitieren Immobilienunternehmen und deren Aktien von den steigenden Mieteinnahmen?

An der SIX kotierte Immobiliengesellschaften mit einem hohen Anteil Schweizer Wohnimmobilien sind zum Beispiel Investis, Fundamenta (je über 90 Prozent Wohnanteil), Plazza (rund drei Viertel Prozent Wohnanteil) oder, bei den etwas grösseren Unternehmen, Mobimo (rund ein Drittel Wohnanteil). Angesichts der stagnierenden oder gar sinkenden Aktienkurse in den letzten Monaten deutet nichts darauf hin, dass diese Firmen von steigenden Mieteinnahmen profitieren werden - zumindest nicht an der Börse. Die Mehreinnahmen durch höhere Mieterträge wären sonst in den Kursen bereits eingepreist.