Das Nein der Schweizer Stimmvolkes zur Abstimmungsvorlage "Reform Altersvorsorge 2020" kommt nicht überraschend. Viele Umfragen deuteten auf ein negatives Resultat hin. Auf der Suche nach Gründen wird man es sich nun vielerorts einfach machen und argumentieren: Abstimmungen zu Reformen des Vorsorgesystems haben es immer schwer. Schliesslich erkennen die Wählerinnen und Wähler eine diffuse Gefahr, dass ihnen etwas weggenommen wird.

Doch so einfach ist das nicht. Das grundlegende Problem: Es herrscht in der Schweiz, deren Drei-Säulen-Prinzip immer wieder als das beste Vorsorgesystem der Welt gepriesen wird, ein ausgeprägter Wissensmangel in Sachen Altersvorsorge. BVG-Umwandlungssatz, Koordinationsabzug, Ehepaarplafond – nur die wenigsten Bewohnerinnen und Bewohner dieses Landes können diese Begriffe schlüssig erklären. Und wo Unwissenheit herrscht, steigt die Unsicherheit. Eine Grundvoraussetzung für mangelnde Veränderungsbereitschaft, nicht bloss bei Abstimmungen.

Das grössere Problem ist jedoch: Es wird kaum etwas gegen diesen Vorsorge-Wissensmangel unternommen. Bei der staatlichen und beruflichen Vorsorge fehlt es an Serviceorientierung. Verständlich gemachte Vorsorgeausweise der Pensionskasse für die Versicherten? Fehlanzeige. Verschickte Zwischenberichte des Stiftungsrates zu Anlage-Aktivitäten der Pensionskasse? Bei vielen Einrichtungen nicht die Regel. Wartezeit für einen Auszug aus individuellen Konti bei AHV-Ausgleichskassen? Drei Wochen.

Kein Zweifel: Das Wissen in der Schweiz zu Vorsorgefragen ist zu wenig breit gestreut. Das Land hat eine Vorsorge-Wissenselite. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich an diesem Zustand von heute auf morgen etwas ändert. Das Problem muss grundlegend angepackt werden: Geldthemen - dazu gehören neben Vorsorgefragen auch Steuern, Versicherungen, Verschuldung und so weiter - gehören in der Schweiz auf den Unterrichtsplan der Schulen. Nur so kann das Problem der Wissensdefizite bei Finanzfragen schon früh angegangen werden.

Und es soll niemand behaupten, dass bei Kindern und Heranwachsenden ein grundlegendes Desinteresse an Finanzfragen besteht. Eine 17-Jährige Schülerin aus Deutschland twitterte vor zwei Jahren, sie könne zwar in vier Sprachen eine Gedichtanalyse schreiben, aber von Geldfragen wie Miete oder Steuern habe sie keine Ahnung. Sie löste in den Sozialen Medien bei Jugendlichen eine Welle der Zustimmung aus.