Die Kolumne «Gopfried Stutz»  erschien zuerst im 

Wenn mir Leser schreiben, um ihren Unmut loszuwerden, gehts meistens um die gleichen Themen: Überflüssige Hinterlassenenrenten für kinderlose Witwen, die Plafonierung der AHV bei Ehepaaren und natürlich das weltweite Unikum, dass die AHV in der Schweiz voll als Einkommen zu versteuern ist.

Jüngst erhielt ich die Zuschrift eines Lesers mit einem für mich neuen Gedanken. Er stört sich daran, dass viele Menschen in seinem Freundeskreis nur Teilzeit arbeiten. Und wenn er sie warne, dass im Alter die Renten nicht ausreichen würden, erhalte er als Antwort, dass es dafür ja Ergänzungsleistungen (EL) gebe. Er, der Leser, findet das "ungeheuerlich".

Nun, längst nicht jeder, der Teilzeit arbeitet, ist später auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Aber klar: Wer nie erben konnte, unterdurchschnittlich verdient und dessen Pensionskasse nur die gesetzlich minimalen Leistungen bietet, wird im Alter schmal durchgehen müssen. Erst recht, wenn man Teilzeit arbeitet.

Kann man eine Person verurteilen, weil sie Ergänzungsleistungen beansprucht? Gemäss Verfassung sollen die Renten der AHV den Existenzbedarf angemessen decken. Diesem Grundsatz wird jedoch in keiner Weise Genüge getan. Und wenn man Politiker darauf aufmerksam macht, so verweisen sie auf die Ergänzungsleistungen. Auf EL besteht ein Rechtsanspruch, wie es so schön heisst. Dies etwa im Unterschied zur Sozialhilfe.

Ein soziales Netz ist wichtig, eine soziale Hängematte jedoch schädlich. Fragt sich also, ob unser EL-System die Funktion eines Netzes oder die einer Hängematte ausübt.

Am besten zeige ich das anhand einer vereinfachten Rechnung für eine ledige Person. Ich gehe davon aus, dass diese Person null Vermögen hat, eine AHV-Rente von 1500 Franken bekommt und eine Rente der Pensionskasse in gleicher Höhe. Das ergibt ein Renteneinkommen von 3000 Franken im Monat. Für die Wohnung inklusive Nebenkosten zahlt sie 1325 Franken.

Gemäss offiziellem Berechnungstool hat nun dieser ledige Rentner Anspruch auf EL von rund 4000 Franken pro Jahr. Das heisst, sein Renteneinkommen von monatlich 3000 Franken erhöht sich mit Ergänzungsleistungen um 333 Franken.

Angenommen, der Mann verfügt über ein Vermögen von 100'000 Franken, so reduzieren sich die jährlichen EL auf 2000 Franken. Denn wer als ledige Person mehr als 100'000 Franken auf der hohen Kante hat, hat keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Bei Ehepaaren liegt die Vermögensgrenze bei 200'000 Franken.

Bei Ehepaaren sieht die Rechnung anders aus, bei Rentnerinnen und Rentnern mit Wohneigentum ebenfalls. Zudem werden je nach Wohngemeinde höhere oder weniger hohe Mietzinsen angerechnet.

Soziales Netz oder soziale Hängematte? Urteilen Sie selbst.